Essen. . Abi ‘47 – es ist wohl Essens ältestes Klassentreffen: Fünf Männer kamen zum 70. Jubiläum der Reifeprüfung am Burggymnasium.
- Schulzeit war vom Krieg mehrfach jäh unterbrochen worden – Schüler mussten als Flakhelfer und Soldaten ran
- Noch heute schwärmen sie von manchem Lehrer und dem Zusammenhalt in der Klasse
- Viele sind in Essen geblieben, in den vergangenen Jahrzehnten gab es häufige Treffen
Sie sind noch fünf, die kommen konnten, und jeder von ihnen wird 90 in diesem Jahr. Sie waren mal zwanzig an der Zahl, das war im Jahr 1947, als sie das Burggymnasium mit dem Abiturzeugnis in der Hand verließen.
Essens wohl ältestes Klassentreffen besteht aus fünf Senioren – sie sind jetzt zusammengekommen in einer Gaststätte im Moltkeviertel und sprachen beim Mittagessen über alte Zeiten und über einen Schul-Alltag, den sich Jüngere kaum noch vorstellen können.
Einsätze als Flakhelfer und an der Ostfront unterbrachen die Schulzeit
„Sieben waren im Krieg gefallen“, sagt Bruno Bergerfurth, der nach dem Abi Jurist wurde und am Oberlandesgericht Hamm tätig war. Es waren nicht nur die Jahre als Flak-Helfer, die gewaltsam die Schulzeit unterbrachen, sondern auch Einsätze an der Ostfront zwischen 1944 und 45, man kämpfte im Oderbruch. „Manche von uns gerieten in Kriegsgefangenschaft, aus der wir erst im August 1945 entlassen wurden“, erinnert sich Kurt Viefhaus, der später Lehrer wurde. Ab Oktober 1945 folgte dann der anderthalbjährige „Sonderlehrgang für Kriegsteilnehmer“ am Burggymnasium, der im Frühjahr 1947 mit dem Abitur endete.
Schüler mussten an der Schule Brandwachen schieben
Doch der Krieg hatte schon vorher viel kaputt gemacht. Der große Fliegerangriff über Essen im März 1943 zum Beispiel – Viefhaus musste damals Brandwache am Burggymnasium halten. So hieß das, wenn man damit rechnete, dass die Brandbomben vom Himmel kommen, und dass man später löschen soll, so gut es geht. „Wir waren im Keller der Schule auf Stroh-Matratzen untergebracht“, berichtet Viefhaus. Löschen konnte man wenig, das Burggymnasium brannte ab. Die Schulzeit wurde später dort fortgesetzt, wo die Bomben nicht alles zerstört hatten. „In der Viktoriaschule oder in Werden.“
Begeistert erzählen die Herren noch heute von ihrem Religionslehrer Herrn Gaul, einem Priester, der auch mit dem Vorstand der Alten Synagoge befreundet war: „Ein umfassend gebildeter Mann, der uns geistige Weite gelehrt hat – auch gegen die Nationalsozialisten“, sagt Paul Stockebrand. Überhaupt hätten die meisten Lehrer und Schüler am Burggymnasium damals inneren Widerstand geleistet. Natürlich musste man in der Hitlerjugend sein, aber freiwillig in die Partei eintreten? „Wer das machte, kriegte Klassenkeile.“ Trotzdem habe man aufpassen müssen, was man zu wem sagt, „doch es gab ein großes Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern, sodass wir wussten, auf welcher Seite die Lehrer stehen“, erinnert sich Hans Groote.
Tellergroße Stücke Bienenstich und fiese Knochen in der Erbsensuppe
Unvergesslich: Fahrten ins Schullandheim, mit grässlicher Verpflegung („in der Erbsensuppe schwammen Mäuseknochen“) und tellergroßen Bienenstich-Stücken, die es für zehn Pfennig in der örtlichen Bäckerei gab. „Es war schön, der Zusammenhalt war toll. Wir hoffen, dass die Jugend heute das auch so erlebt“, sagt Groote.
Das Burggymnasium war damals übrigens eine reine Jungenschule. Doch im „Sonderlehrgang“ tauchte eine junge Dame auf, die mit diversen Sondergenehmigungen an der „Burg“ ihr Abi machten durfte: Uta Ranke-Heinemann, Tochter des Essener Oberbürgermeisters und späterem Bundespräsidenten, Gustav Heinemann. „Sie kam zu uns wegen der altsprachlichen Ausbildung, sie wollte ja Theologin werden“, erklärt Klausdieter Segerath. An der „Burg“ gab es viele Jahrzehnte das Fach Griechisch. Und wie ging man als Jungs-Jahrgang mit einem Mädchen um? „Die haben wir genauso auf die Schippe genommen wie die Jungs“, sagt Stockebrand, und dann lachen die Männer alle zusammen in der Runde, fast so ein bisschen wie damals.