Essen. . 17.000 Freiwillige zogen beim Sauberzauber wilden Müll aus allen Ecken. Erstmals waren auch Taucher im See dabei. Was unser Redakteur erlebte.
- Zahl der nicht-organisierten Bürger, die freiwillig beim Sauberzauber mitmachten, war in diesem Jahr besonders hoch
- Sauberzauber-Organisatoren schätzen, dass das am „Grüne Hauptstadt“-Effekt liegt
- Entsorgungsbetriebe hatten vorher alle Teilnehmer mit Zangen und Säcken versorgt
Von Karnap bis Kettwig, von Borbeck bis Steele – im gesamten Stadtgebiet haben am Samstag rund 17.000 Bürger die Stadt von wildem Müll befreit. Dabei beteiligten sich so viele Menschen wie noch nie – vor allem selbst organisierte Gruppen, Nachbarschafts-Initiativen oder Familien machten in größerer Zahl als bislang mit. Die Organisatoren vermuten, dass es sich um einen Effekt der „Grünen Hauptstadt“ handelt: „Das öffentliche Interesse an ökologischen Themen haben wir schon bei den Anmeldezahlen gemerkt“, sagt Hendrik Rathmann von der Ehrenamt-Agentur, die den „Sauberzauber“ seit 2012 koordiniert.
Grüne-Hauptstadt-Film als Impuls zum Mitmachen
In Altendorf säuberte eine Truppe namens „Rüselaner“ – Anwohner der Rüselstraße – die Radtrasse am Niederfeldsee. In Burgaltendorf machten Anwohner die Fläche rund um die Burgruine sauber. An der Bottroper Straße in Vogelheim kümmerte sich der örtliche Pudel-Club um das Umfeld des Vereinsgeländes. Der „Initiativkreis Aktion Kray“ kümmerte sich um die Krayer Straße. Und so weiter, und so fort.
Es machten noch mit: Sportvereine, Kindergärten, Grundschulen, natürlich die Parteien in vielen Stadtteilen, und überall und immer wieder: Einzelne Familien und Bürger – wie Christina Wittkuhn (27), Steuerfachangestellte aus Holsterhausen: „Wir hatten in der Lichtburg den Film über Essen, die Grüne Hauptstadt gesehen“, erzählt die Bürgerin. „Da kamen wir auf die Idee, dass wir uns am Sauberzauber beteiligen könnten – um so der Stadt etwas zurückzugeben.“
Ab zehn Uhr stand sie im Stadtgarten, ausgestattet mit Holzzange und rotem Müllsack. Alle Beteiligten hatten diese Standard-Ausrüstung inklusive Arbeitshandschuhen und Warnweste rechtzeitig vorher von Mitarbeitern der städtischen Entsorgungsbetriebe (EBE) erhalten – geliefert bis an die Haustür.
Alle Teilnehmer wurden vorher mit Zangen und Säcken
„Die Logistik verlief problemlos, unser Team hat diese Mammutaufgabe zusätzlich zum Tagesgeschäft gestemmt“, berichtet Bettina Hellenkamp, Sprecherin der Entsorgungsbetriebe.
Erstmals dabei waren sechs Taucher der DLRG am Baldeneysee – und zogen am Ufergelände in der Nähe des Regattaturms Autoreifen, alte Mülltonnen, zahllose Flaschen und sogar eine Handtasche mit Papieren heraus. „Die Handtasche haben wir der Polizei übergeben“, berichtete Andreas Wagener, Einsatzleiter der DLRG. Nächstes Jahr will die Lebensrettungs-Gesellschaft wieder dabei sein, „denn erstens hat es Spaß gemacht,und zweitens können wir die Aktion gut mit Übungstauchgängen kombinieren.“
Die meisten Leute zogen wilden Müll übrigens nicht aus den Gebüschen im grünen Süden, sondern: Der Norden beteiligte sich am stärksten. Allein in Stoppenberg und im Nordviertel machten 24 Gruppen mit.
Plastik! Plastik! Plastik! Was unser Redakteur beim „Sauberzauber“ erlebte
Liebe Supermärkte! Könntet Ihr bitte ab sofort zehn Euro für eine Plastiktüte nehmen und nicht mehr zehn Cent?
Ich habe mit meiner Familie Wegesränder am Baldeneysee saubergemacht, rund um das Heisinger Vogelschutzgebiet. Sieben volle Müllsäcke in zwei Stunden. Es sind ja nicht nur die Zigarettenstummel unter den Sitzbänken und die „Sallos“-Bonbonpapiere im Gebüsch. Es sind und waren: Fanta- und Wodkaflaschen, rostige Konserven, 30er-Packs Plastikbecher, noch unbenutzt und verschweißt, sowie ein kaputter Gartengrill und eine Schaumstoffmatratze.
Und: Plastiktüten. Große, kleine, dünne, dicke. Teilweise eingegraben ins Erdreich, zumeist gnädig kaschiert vom Herbstlaub des letzten Jahres. Ich weiß nicht, wieso man nur die Weltmeere schützen will vor wildem Plastikmüll, indem Tüten im Supermarkt seit einigen Monaten Geld kosten. Wenn uns die Weltmeere lieb sind, sollte uns das Grün vor der Haustür teuer sein.
Mal ein Tempo-Taschentuch – geschenkt. Aber ganze Essbestecke aus Plastik?
Dass man im Gebüsch mal ein Tempo-Taschentuch fallen lässt oder liegen lassen muss wegen akuter Notdurft – schon klar. Aber Konserven? Essbestecke aus Plastik? Und immer wieder „Kümmerling“-Fläschchen, überall? Doch wer beim „Sauberzauber“ mitmacht, der hat nicht nur Fragen. Sondern findet auch Antworten. Für wen machen wir das hier eigentlich, außer für uns selbst?
Am Ende, unter der Fußgänger- und Radlerbrücke, die Heisingen mit Kupferdreh verbindet, entdeckten wir eine ausgewachsene Kröte, die leise vor sich hin hüpfte. Die Kinder machten große Augen. Nächstes Jahr sind wir wieder mit dabei.