Essen. . Die Stadt Essen will die hohe Langzeitarbeitslosigkeit nicht länger hinnehmen. Der Oberbürgermeister Thomas Kufen gibt sich auch selbstkritisch.

  • Trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung bleibt die Arbeitslosigkeit in Essen hoch
  • Fast jeder fünfte Essener lebt von Hartz IV. Zahl der Bedarfsgemeinschaften steigt
  • Stadt will Bemühungen verstärken. Pilotprojekt für Langzeitarbeitslose testet „sozialen Arbeitsmarkt“

Die Stadt Essen will ihre Anstrengungen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erhöhen. Dies kündigte Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) am Freitag vor der Presse an. Kufen zeigte sich dabei selbstkritisch: „Ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren in der Politik zu wenig über das Thema Arbeitslosigkeit gesprochen haben.“

Fast jeder fünfte Essener lebt von Hartz IV

Dabei ist das Problem wohl bekannt: Obwohl die Zahl der Beschäftigten auf nunmehr 238.000 gestiegen ist, profitieren Langzeitarbeitslose nicht von der insgesamt positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Fast jeder fünfte Essener lebt mittlerweile von Hartz IV. Die Zahl der so genannten Bedarfsgemeinschaften ist in den vergangenen fünf Jahren um 8,9 Prozent auf rund 46.000 gestiegen.

Auch wenn in diesem Zeitraum der Anteil derjenigen, die länger als ein Jahr ohne Arbeit waren, um 3,1 Prozent auf rund 15.000 gesunken ist, zählt Essen zu den Schlusslichtern im Revier. Nur in Duisburg und Gelsenkirchen sieht es noch düsterer aus.

OB Kufen: „Raus aus diesem Ruhrgebietsgejammer“

Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters, Sozialdezernent Peter Renzel und Oberbürgermeister Thomas Kufen (v.l) stellten ihr Konzept vor. Rechts im Bild: Stadtsprecherin Silke Lenz.
Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters, Sozialdezernent Peter Renzel und Oberbürgermeister Thomas Kufen (v.l) stellten ihr Konzept vor. Rechts im Bild: Stadtsprecherin Silke Lenz. © Kerstin Kokoska

Die Ursachen sind im wirtschaftlichen Strukturwandel zu suchen. Oft verfügten die Betroffenen aber weder über eine Ausbildung, noch über einen Schulabschluss. Häufig mangele es auch an ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache, beschreibt Sozialdezernent Peter Renzel das Dilemma.

Die Stadt dürfe sich mit der Situation nicht zufrieden geben. „Ich will raus aus diesem Ruhrgebietsgejammer“, formuliert OB Kufen.

Große Hoffnung setzt die Stadtspitze auf die Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes. Dahinter steht der Gedanke, dass es ökonomisch und sozialpolitisch sinnvoller sein dürfte, Beschäftigung zu finanzieren statt Arbeitslosigkeit.

215 Langzeitarbeitslose, die ab Mitte des Jahres im vom Land NRW mit 12,5 Millionen Euro finanzierten Pilotprojekt eine Beschäftigung finden sollen, mögen da nur ein Anfang sein. Kufen und Renzel bauen darauf, dass der soziale Arbeitsmarkt ausgebaut wird, was eine Reform der aktuellen Sozialgesetzgebung voraussetzt. Berlin denke über Beschäftigung für 200 000 Betroffene nach, weiß Renzel zu berichten. „Wir werden unseren Hut in den Ring werfen.“

Mehr Bewerber als Ausbildungsplätze

Im Rahmen des Pilotprojektes sollen Langzeitarbeitslose Helfertätigkeiten ausüben etwa in der Grünpflege. Dafür erhalten sie den gesetzlichen Mindestlohn. Ziel sei eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt, betont Renzel.

Zur Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes gehört aber wohl auch, dass man sich ehrlich macht. Es gibt Langzeitarbeitslose, die sind nicht mehr dazu in der Lage, einer festen und dauerhaften Beschäftigung nachzugehen.

Die Stadt Essen will ihren Teil dazu beitragen, dass es soweit erst gar nicht kommt. In einer konzertierten Aktion will man alle Kräfte bündeln, angefangen beim Übergang junger Erwachsener von der Schule in den Beruf. Dass die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz größer ist als das Angebot, „erfüllt uns mit Sorge“, sagt Sozialdezernent Renzel. Denn unter jenen, die leer ausgehen, könnten die nächsten sein, die in der Statistik als Arbeitslose auftauchen.

>> „ESSENER ARBEITSMARKTSTRATEGIE 2020“

Der Rat der Stadt soll noch in diesem Monat über die „Essener Arbeitsmarktstrategie 2020“ befinden. Dahinter verbirgt sich ein Katalog von Handlungsempfehlungen, mit deren Hilfe die Stadt hofft, die Langzeitarbeitslosigkeit senken zu können.

Dazu zählen die Qualifizierung von Betroffenen, die kommunale Beschäftigungsförderung wie auch das Fördern von Selbstständigkeit. Akteure wie IHK, Handwerkskammer, Unternehmen und Bildungseinrichtungen sollen enger zusammenarbeiten.