Essen-Kettwig. . Der Kettwiger hat seine Wohnung zu einem kleinen Museum gemacht. Mit einem Röhrenradio begann die Sammelleidenschaft. Was es alles zu sehen gibt.
Mit einem Röhrenradio der Marke Grundig hat alles angefangen. 50 Mark zahlte Michael Henrichs damals dafür. Auf einem Flohmarkt, vor mehr als 20 Jahren. Mittlerweile erinnert seine Wohnung in der Kirchfeldstraße an ein Museum. Zumindest das ehemalige Esszimmer und das Gästezimmer. Stilecht eingerichtet sind sie, wie in den 1950er-Jahren.
Eine wirklich enge Beziehung zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders hat er nicht. Geboren ist Charly – die Kettwiger kennen ihn nur unter seinem Spitznamen – 1960, „die Alltagsgegenstände verbindet man mit Spießigkeit und Muffigkeit, aber das verspielte Design hat mich fasziniert“.
Die Schallplattenbar ist voll funktionstüchtig
Mittlerweile hat er viele hundert spannende Exponate. Von der selbst restaurierten und natürlich funktionierenden Schallplattenbar über eine ansehnliche Lampensammlung, unzählige Drogerieartikel, eine große Fotoecke – und Mode. Um die kümmert sich seine Frau Regine. „Wir haben nur Originale aus dieser Zeit. Die Schnittführung der eleganten und fraulichen Mode war eine echte Herausforderung für alle Schneiderinnen“, sagt die Mode- und Schnittdirectrice, die in ihrem Kettwiger „Nähkästchen“ Kurse anbietet.
Die 1950er-Jahre sind irgendwie nie ganz aus der Mode gekommen. Zu den Klischees gehören Tütenlampen und Nierentische, aber auch ein antiquiertes Frauenbild, mit dem Regine Henrichs so ihre Probleme hat: „Die Frauen haben nach dem Krieg viel geleistet, mussten dann zurück an den Herd und dabei auch noch adrett aussehen.“ Die Ära Adenauer war äußerst konservativ, „aber bot Chancen für alle und war ein richtiger Neubeginn“, sagt Michael Henrichs.
Nostalgie ist eine Absage an die Wegwerfgesellschaft
Private Partys haben die Henrichs schon inmitten der nostalgischen Kulisse gefeiert. Mit Käseigel, Falschem Hasen (Hackbraten) und Kaltem Hund (Keks-Schoko-Kuchen) auf dem Büfett und Bowle in den Gläsern. Auf dem Plattenteller liefen die „Capri-Fischer“...
„Für uns ist diese Nostalgie auch Entspannung von der hochdigitalisierten Zeit – und eine Absage an die Wegwerfgesellschaft“, sagt Michael Henrichs. Zwei Drittel aller technischen Geräte, die er gesammelt hat, funktionieren nach vielen Jahrzehnten immer noch. Und er zeigt eine ganz besondere Küchenmaschine. Quasi ein Multitalent. „Die ‘Piccolo’ kann man mit einem bestimmten Aufsatz auch als Staubsauger benutzen, man kann mit ihr Lack sprühen und zum Beispiel Spinat häckseln.“
Kein Platz mehr in der Wohnung
In der Wohnung präsentiert Michael Henrichs nur einen Teil seiner Schätze, der Rest lagert im Keller. „Mir macht es Spaß, Themenwelten zu schaffen, quasi Schaufenster der 1950er-Jahre.“ Doch der Platz wird knapp aus, aber aus verständlichen Gründen möchte seine Frau weder auf Küche noch Schlafzimmer verzichten.
Als er mit dem Sammeln begann, waren die Exponate noch bezahlbar. „Auf Flohmärkten gibt es heute nichts mehr aus dieser Zeit. Der Markt ist gefegt.“ So greift er aufs Internet zurück, stöbert immer wieder Dinge auf, die seine Sammlung komplettieren.
Ein bisschen Träumen darf erlaubt sein: „Ich könnte mir vorstellen, ein richtiges, kleines Museums einzurichten. Aber dazu muss man erst einmal die passenden Räume finden.“ Und dann würde Michael Henrichs gern viele Menschen mit auf die Zeitreise nehmen, zurück in die 1950er-Jahre.