Essen. Für die Landtagswahl wurden die Grenzen des Südwahlkreises neu gezogen. Die SPD dürfte davon profitieren. Die FDP spricht von Manipulation

  • Für die Landtagswahl wurde der Landtagswahlkreis 68 neu zugeschnitten. SPD profitiert
  • Vier Stadtteile wurden herausgetrennt. „Bürgerliche Lager“ sieht sich benachteiligt, wettert die FDP
  • Das Ergebnis von 2010 wäre mit neuem Zuschnitt anders ausgefallen. Damals gewann die CDU

Ist das die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm? Am 14. Mai wird in NRW ein neuer Landtag gewählt. Rund 421 000 Essener sind dann dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Parteien laufen sich erst warm für den Wahlkampf. So viel aber steht bereits fest: Sollte es in Essen ein knappes Ergebnis geben, ist für Diskussionsstoff gesorgt. Denn der Ärger um den jüngsten Neuzuschnitt der Landtagswahlkreise ist längst nicht verraucht.

Zur Erinnerung: Landtagswahlen sind in Essen seit Jahrzehnten in drei der vier Wahlkreisen eine klare Sache. Umkämpft war der Wahlkreis im Essener Süden. Auf Beschluss der rot-grünen Landesregierung im November 2015 wurde dieser nun deutlich verkleinert. Dafür gab’s Gründe: Laut Wahlgesetz müssen Wahlkreise eine annähernd gleiche Zahl an Stimmbürgern aufweisen. Mit rund 127 000 Wahlberechtigten war der Südwahlkreis jedoch deutlich größer als die Wahlkreise Essen-Nordost mit 103 000 und Essen-West mit rund 97 000 Wahlberechtigten 2012. Zugunsten der beiden letztgenannten wurde der Südwahlkreis deshalb beschnitten. Umstritten bleibt das Wie.

Essens FDP-Vorsitzender Ralf Witzel, einer der lautstärksten Kritiker des neuen Zuschnitts, spricht unverblümt von einer „Wahlkreis-Manipulation“ zugunsten der SPD und zum Nachteil des „bürgerlichen Lagers“. Denn auf Empfehlung von Innenminister Ralf Jäger (SPD) wurden vier Stadtteile aus dem Südwahlkreis herausgelöst, in denen die CDU bei vorangegangenen Wahlen teilweise klar vorne lag. Bredeney und Schuir gehören nun zum Wahlkreis 67 Essen -West, Byfang und Burgaltendorf zum Wahlkreis 66 Essen-Nordost.

Der Südwahlkreis hat die schraffierten Stadtteile verloren.
Der Südwahlkreis hat die schraffierten Stadtteile verloren. © Miriam Fischer

Auch wenn die CDU dadurch in diesen beiden Wahlkreisen Stimmen hinzugewinnen dürfte, wird dies nicht ausreichen, um die Dominanz der Sozialdemokraten dort zu brechen. Laut Witzel hat die SPD ihr Ergebnis von 2012 damit zementiert. Direktkandidaten anderer Parteien müssten gar nicht erst antreten.

Bei der vorgezogenen Wahl von 2012 lag Peter Weckmann (SPD) im Südwahlkreis 9628 Erststimmen vor Manfred Kuhmichel (CDU), dessen Partei ein für sie desaströses Ergebnis einfuhr. Auch ein verkleinerter Wahlkreis wäre an die SPD gegangen. Weckmanns Vorsprung wäre lediglich um 965 Stimmen geringer ausgefallen.

Anders 2010: Da lag Kuhmichel 1072 Stimmen denkbar knapp vor Weckmann. Zieht man die Stimmen ab, die beide Kandidaten in Bredeney, Schuir, Byfang und Burgaltendorf erhalten hatten, wäre Weckmann schon damals als direkt gewählter Kandidat in den Landtag eingezogen – mit einem Vorsprung von 1826 Stimmen. Das tatsächlich Ergebnis wäre damit auf den Kopf gestellt.

Es bleibt Theorie. Witzel will sich mit seiner Kritik auch deshalb nicht allein auf Zahlenspiele beschränken. Der neue Zuschnitt orientiere sich weder an historisch gewachsenen noch an sozialen Strukturen. „Was verbindet Byfang mit Katernberg, was Bredeney mit Altendorf“, fragt Witzel rhetorisch.

Gemeinsam mit der CDU hatte die FDP deshalb vorgeschlagen, allein Rüttenscheid aus dem Südwahlkreis herauszulösen. Rüttenscheid war erst 2005 zugeschlagen worden war. Damals trug die Wahlkreisreform der sinkenden Bevölkerungszahl Rechnung; aus sechs Essener Wahlkreisen wurden vier.

2012 lag die SPD in Rüttenscheid fast 3000 Erststimmen vor der CDU. Den Stadtteil aus dem Südwahlkreis herauszutrennen, ginge stärker zu Lasten der SPD.

Auf Seiten der Sozialdemokraten will man gar nicht spekulieren. Parteichef Thomas Kutschaty verweist auf die Notwendigkeit eines neuen Zuschnitts. Zum Vorschlag von CDU und FDP nur soviel: Rüttenscheid hätte man auf zwei Wahlkreise verteilen müssen. Das wollte die SPD nicht. „Geographisch sollte es schon passen.“

Im Landtag sei zudem „ein Paket geschnürt“ worden. Auch in anderen Wahlkreisen des Landes gab es Korrekturen – nicht immer zugunsten der SPD. Entscheidend für die Mehrheitsverhältnisse im Landtag, gibt Kutschaty zu bedenken, sei letztlich nicht die Erst-, sondern die Zweitstimme. Sein Stellvertreter Karl-Heinz Endruschat rät im Wahlkreisstreit zu mehr Gelassenheit. Die SPD, würde FDP-Mann Witzel sagen, hat gut reden.