Essen. . Silvia Weiskopf bekommt den Aalto-Bühnenpreis für junge Künstler. Die Schauspielerin überzeugt im Essener Theater mit enormer Wandlungsfähigkeit.
Ihr Konservenkind Konrad ist ein Frechdachs zum Liebhaben. Ihr Caspar Hauser eine Figur voller unergründlicher Tiefen und Geheimnisse. Und ihre Terrorqueen „Ulrike Maria Stuart“ hat die Grillo-Bühne dermaßen gerockt, dass das Jelinek-Stück beim NRW-Theatertreffen sogar zur „besten Inszenierung“ gekürt wurde. Silvia Weiskopf ist wohl eine der wandlungsfähigsten Künstler des Hauses, die heute als „Peter Pan“ aufs Schiffsdeck stürmt und morgen als „Don Quijote“ die Weltgeschichte durcheinanderwirbelt. Ganz bei sich und doch immer bereit, tief in diese fremde Haut zu schlüpfen.
Heute Abend bekommt Silvia Weiskopf den mit 10 000 Euro dotieren Aalto-Bühnenpreis für junge Künstler verliehen. Und obwohl die Erfahrung mit 37 Jahren und über 30 verschiedenen Rollen inzwischen schon beachtlich ist, passt der Preis gut auf die gebürtige Mainzerin, die ihre Neugier, ihre Lust am Spiel und Ausprobieren so ungedrosselt und jugendfrisch auf die Bühne bringt, als wäre sie gerade erst in diesen großen Zauberbetrieb Theater eingestiegen.
Bevor sie den Preis heute im Grillo-Theater bekommt, wird sie wieder die Charlotte in der grandios-verrockten „Werther“-Inszenierung von Karsten Dahlem spielen. Auch so eine hinreißende Weißkopf-Figur: zart, aber nicht ätherisch, hingebungsvoll, aber nicht weibchenhaft. Eine Frau, die zur Not auch mal mit Pfannen nach dem Liebsten wirft, um sein Herz mit Wucht zu erreichen.
Die Nachricht von der Ehrung hat sie im ersten Moment überrascht. Jetzt freut sie sich über den Preis. „Das bedeutet doch, dass das, was ich mir denke, da unten ankommt.“ Für sie ist das Bestätigung und Aufforderung zugleich. „Ich möchte das zurückgeben und mich noch mehr ins Zeug legen.“
Dabei ist ein Theaterabend mit Silvia Weiskopf immer ein Versprechen an eine quicklebendige Begegnung. „Wenn ich als Konrad in der Konservenbüchse sitze, möchte ich jedes Kind erreichen.“
Die Lust am Spiel hat Silvia Weiskopf jung erwischt. Im Jugendclub des Staatstheaters Mainz kommt „der Hang zum Dramatischen“ früh zum Vorschein. „Da brannte etwas, da musste irgendetwas raus.“ In Bochum wird sie nach langen und kräftezehrenden Vorsprechrunden angenommen. Da ist sie schon so erschöpft, dass sie zwischendurch ihren Text verliert – und die Jury restlos überzeugt. 2006 bekommt sie ihr erstes Gastengagement in Zürich: In der Regie von David Bösch spielt sie die Adine in „Der Streit“. Von dort geht es weiter nach Leipzig, Bielefeld, seit 2010 gehört sie zum Schauspiel-Ensemble von Christian Tombeil in Essen.
Kein Karriere-Hopping um jeden Preis. Sie ist ohnehin keine mit dem Hoppla-hier-komm-ich-Gen. Sie kennt die Angst vor dem Auftritt, sie hat Respekt davor, den Leuten auf die Pelle zu rücken, Reaktionen zu provozieren, Dinge zu tun und zu sagen, die mit der eigenen Person nicht viel gemein haben. Jede Rolle ist schließlich eine neue Herausforderung, die Entdeckung einer neuen Ausdrucksmöglichkeit. Als AfD-Frontfrau Petra Bolz keift sie derzeit in Volker Löschs aktueller „Jago“-Produktion“ politische Parolen, um kurz darauf in „Top Dogs“ eine abgestiegene Karrieristin in die Highheels zu stemmen. Am Ende ist sie immer wieder froh, „dass man mir die Möglichkeit gibt und das zutraut“. Zuletzt hat sie in der Tanzproduktion „reTURN“ der Essener Choreografin Jelena Ivanovic mitgewirkt. Die Ausdruckskraft des Körpers ist für sie von elementares Bedeutung. So ist ein „Caspar Hauser“ dann mehr als eine Rolle, sondern schon Fügung, nachdem sie den gleichnamigen Film mit André Eisermann zigfach gesehen hat.
„Ich lechze nach alten Stücken“
Und trotzdem sehnt sie sich auch nach den großen Klassikern „Ich lechze total nach alten Stücken.“ Dass die Kraft und Schönheit der Sprache jeden erreichen kann, daran glaubt sie fest. Dass zu vermitteln, will sie auch künftig als Aufgabe verstehen: „Wir müssen so strahlen, dass die Leute einfach Bock haben zu kommen.“