Essen. Mit einer Mini-Broschüre erreicht die Frauenberatung Essen Opfer von Gewalt. Sie können den Flyer diskret bei Ämtern oder Arztpraxen einstecken.
Die Broschüre ist klein wie eine Visitenkarte, doch für manche Frau ist sie ein Rettungsanker: Sie listet in zehn Sprachen Ansprechpartner für Frauen auf, die Opfer von Gewalt sind. Dass die Frauenberatung Essen den Mini-Flyer zum zweiten Mal auflegen kann, ist dem Zonta-Club Essen II zu verdanken.
Im Jahr 2014 wurden die ersten 10 000 Exemplare gedruckt und bei Notfall-Ambulanzen, Arzt- und Rechtsanwaltspraxen oder Behörden wie dem Jugendamt ausgelegt. Dort können Frauen sie diskret einstecken, „und zwar auch, wenn sie von ihrem Partner begleitet und kontrolliert werden“, sagt Sozialpädagogin Cordula Hißmann. Das Titelbild mit einer Frau, die abwehrend die Hände vors Gesicht hält, spricht für sich. Daneben steht auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Russisch, Polnisch, Serbokroatisch und Farsi: „Hilfe“. Innen finden sich Adressen von Polizei, Frauenhaus und -beratung sowie das Frauen-Hilfetelefon, das rund um die Uhr besetzt ist. Der Flyer ermutigt: „Es gibt Wege aus der Gewalt.“
Mit gepackter Tasche kam die junge Frau zur Beratung
Psychotherapeutin Eva-Maria Jäger erinnert sich an eine junge Marokkanerin, die nach Deutschland verheiratet worden war. „Von Anfang an hat ihr Mann sie bedroht und geschlagen.“ Ihre einzige Freiheit war der Deutschkurs – und dort lag der Flyer der Frauenberatung. Sie steckte ihn ein und handelte sofort: „Mit gepackter Tasche stand sie vor mir und sagte, sie gehe nie mehr zurück“, erinnert sich Jäger, die ihr einen Platz im Frauenhaus vermitteln konnte.
Gerade aus muslimisch geprägten Ländern würden regelmäßig junge Frauen an ältere Landsmänner hierzulande verheiratet. Weil der Aufenthaltstatus dieser Frauen von den Ehemännern abhänge, hätten die ein starkes Druckmittel. Und doch gebe es Fälle wie den der Libanesin, die als Kind zwangsverheiratet, von ihrem Mann drangsaliert wurde, aber schließlich mit acht Kindern die Flucht vor ihm und einen Neuanfang wagte.
Viele Migrantinnen kennen ihre Rechte nicht
Ohne Hilfe gehe das nicht, schon weil vielen Migrantinnen die hiesige Rechtslage unbekannt ist: Hier kann der Mini-Flyer maximale Wirkung entfalten. Vor dem Weltfrauentag am 8. März ermöglichte der Zonta-Club Essen II mit 1000 Euro den Druck von weiteren 10 000 Flyern. Gewalt gegen Frauen setze Zonta ein klares Nein entgegen – bei Aktionen weltweit und vor Ort, betont Vize-Präsidentin Dorothée Waechter: Das Frauen-Netzwerk sei „gelebte Zivilgesellschaft.“
Zonta-Präsidentin Agnes Wallek ergänzt: „Wir leben im Paradies und wissen oft nicht um die Not anderer.“ Bei der Frauenberatung wird diese Not sichtbar: So hatten 2016 fast 40 Prozent der 520 ratsuchenden Frauen einen Migrationshintergrund. Cordula Hißmann erklärt das so: „Je länger die Frauen hier sind, desto besser kennen sie ihre Rechte.“ Und holen sich Hilfe.