Essen. . Jährlich erklären rund 5000 Katholiken im Bistum Essen ihren Austritt. Eine Online-Umfrage soll Motive aufzeigen - und Wege, Menschen zu halten

Glaubensverlust, Unzufriedenheit oder die Kirchensteuer? – das Bistum Essen möchte genauer wissen, warum Menschen aus der katholischen Kirche austreten. Im Internet wurde dazu jetzt eine Umfrage gestartet. Katholiken und Ausgetretene können dort schreiben, weshalb sie Mitglied der Kirche sind oder diese verlassen haben. Außerdem können die Teilnehmer in einem Fragebogen angeben, was ihnen an der Kirche wichtig ist und worauf sie auch verzichten könnten.

Die Online-Umfrage ist Teil einer größeren Studie, bei der das Bistum Essen mit verschiedenen Hochschulen und Instituten bundesweit zusammenarbeitet. „Neben den Gründen für einen Kirchenaustritt interessiert uns, weshalb so viele Menschen Mitglied sind und dafür Beiträge zahlen, aber kaum Angebote der Kirche nutzen“, sagt Projektleiter Thomas Rünker, Redakteur in der Pressestelle des Bistums. So besuchten im Schnitt nicht einmal zehn Prozent der knapp 800 000 Katholiken im Bistum regelmäßig einen Sonntagsgottesdienst.

Da der Austritt vor dem Amtsgericht erklärt wird, erhält die Kirche kaum Begründungen

Das Projekt „Initiative für den Verbleib in der Kirche“, will verstehen, wie Austrittsprozesse ablaufen und Strategien entwickeln, die Zahl zu reduzieren. „Der eigentliche Kirchenaustritt ist oft nur das Ende eines langen Wegs der Entfremdung“, so Rünker. Entscheidend sei, darüber mehr zu erfahren, um rechtzeitig einhaken zu können. Da der Austritt formlos vor dem Amtsgericht erklärt werden muss, erhalte die Kirche selbst in der Regel keine Begründungen. „Das unterscheidet uns von vielen anderen Institutionen, die Mitglieder verlieren.“

Einiges weiß man natürlich durchaus. Neben dem Geldsparen und dem Verlust des Glaubens, treiben auch Berichte über spektakuläre Verfehlungen von Kirchenoberen die Menschen davon. Der Finanzskandal um das prunkvolle Bischofshaus in Limburg etwa oder die Fälle sexuellen Missbrauchs durch Geistliche schlugen sich laut Thomas Rünker klar in den Austrittsstatistiken nieder.

Das Bistum Essen ist auf die Kirchensteuern stark angewiesen

Ältere Bistümern verfügen meist über viel Grundbesitz und andere, in Jahrhunderten aufgebaute Kapitalstöcke, die ein gutes Auskommen auch jenseits der Kirchensteuer garantieren. Für das vergleichsweise junge Bistum Essen führe jeder Kirchenaustritt hingegen zu deutlichen finanziellen Einbußen. Jahr für Jahr sind zuletzt rund 5000 Männer und Frauen gegangen – und mit ihnen Kirchensteuern in jährlich sechsstelliger Höhe. Geld, dass dem Ruhrbistum spürbar fehlt.

Zwar könnten dank der guten Konjunktur die steigenden Löhne und die damit ebenfalls steigende Kirchensteuer die Verluste derzeit noch auffangen. Doch künftige Mehrkosten etwa bei den Pfarrgemeinden oder bei den Kitas werde das Bistum kaum stemmen können.

„Mehr darauf achten, was Menschen wichtig ist, die selten Kontakt suchen“

Hinter dem Projekt steckt aber auch eine Haltungsfrage, betont Rünker: „Es wäre schon etwas erreicht, wenn wir in der Kirche mehr darauf achten würden, was den Menschen wichtig ist, die nur selten Kontakt suchen – die beispielsweise Weihnachten in die Kirche kommen, die heiraten wollen oder bei einem Trauerfall anrufen.“ Schließlich finanzierten diese Mitglieder so wie die regelmäßigen Besucher den Erhalt des Gebäudes, die Musik, den Blumenschmuck und den Lebensunterhalt des Pastors.

Wer sich an der Umfrage und der Studie beteiligen möchte, findet unter www.kirchenstudie.bistum-essen.de alle erforderlichen Informationen.