Essen. . Regisseur Jörg Buttgereit verbindet das Flüchtlingsstück „Die lebenden Toten“ mit einem Zombiefilm von George A. Romero. Premiere in der Casa
„Zombies sind eine wunderbare Projektionsfläche für alles, was wir nicht in den Griff bekommen“, sagt Jörg Buttgereit. Er muss es wissen. Der Berliner hat sich im Horror- und Science-Fiction-Fach als Regisseur und Autor einen Namen gemacht. Vor gut zehn Jahren entdeckte ihn das Theater. Derzeit inszeniert er Christian Lollikes Flüchtlingsstück „Die lebenden Toten oder: Monsters of Reality“ in der Casa des Schauspiel Essen.
Monster jagten ihm keine Angst ein
Wie ein großer Junge sieht er aus mit Bürstenhaarschnitt, Jeans und japanisch beschriftetem Godzilla-T-Shirt. Er war vier, als er in einem Kino in Schöneberg den Gruselfilm für sich entdeckte. Er wuchs mit „Frankenstein“ und „Godzilla“ auf, drehte mit 14 den ersten Super-8-Streifen. Monster jagten ihm nie Angst ein. „Ich hab mich immer mit denen identifiziert“, erinnert sich Jörg Buttgereit. Quasi zum Ausgleich begleiten ihn Superhelden. „Captain Berlin“, erst sein Filmheld, dann seine Hörspiel- und Comicfigur, zeugt bis heute davon.
Angestachelt vom Do-it-yourself-Gedanken der Punkbewegung setzte er bereits während der Ausbildung zum Dekorateur in den 1980er Jahren seine Untergrundfilme um. Leute wie „Ärzte“-Mitbegründer Bela B machten mit. Geld brachte das kaum. Er hielt sich als Filmvorführer über Wasser. „Das Horrorgenre ist verpönt in Deutschland“, weiß der inzwischen 53-Jährige, der vom Verbot bis zum Freispruch und Lob seiner Filme schon alles erlebt hat.
Zwischen den Auseinandersetzungen mit beziehungsgestörten Existenzen wie in „Nekromantik“, „Schramm“ oder einer Episode von „German Angst“, in denen Gewalt und Körperflüssigkeiten kein Tabu sind, avancierte er zum Buchautor und Kritiker, kreierte Hörspiele für den WDR, realisierte Dokumentationen für Arte oder Musikclips für Bands. „Sobald ich mich sicher fühle, wechsel ich die Genres“, erzählt Jörg Buttgereit.
Buttgereit im Kino und Theater
Die Premiere von „Die lebenden Toten oder: Monsters of Reality“ am 4. März ist ausverkauft.
Es spielen Alexey Ekimov, Silvia Weiskopf und Axel Holst, der mit Regisseur Jörg Buttgereit „Kannibale und Liebe“ in Dortmund und eine Filmepisode von „German Angst“ realisierte.
Mehr Termine: 11./22. März, 8./16. April. Karten: 8122 200
Das Astra, Teichstraße 2, zeigt in der Reihe Theaterkino am 6. März, 20.15 Uhr, Jörg Buttgereits „Nekromantik“, einen polarisierenden Film über Nekrophilie und Liebe (freigegeben ab 18 Jahren). Karten: 27 55 55.
Furcht zu versagen, hat er selbst am Theater nicht. Der experimentierfreudige Schauspielintendant Kay Voges holt ihn seit 2011 regelmäßig nach Dortmund und gewann damit vom Film sozialisierte Zuschauer hinzu. Das erhofft sich Jörg Buttgereit auch in Essen mit „Die lebenden Toten“ des dänischen Autors Lollike. Der 2016 uraufgeführte Text über die Flüchtlingskrise spielt mit dem Gedanken, dass die Heimatvertriebenen sich die Macht in Europa wie Zombies einverleiben wollen. Drei Schauspieler versuchen, das an einem Filmset zu thematisieren. Meinungen von rechts bis links werden bedacht.
Steilvorlage für Jörg Buttgereit. Er inszeniert das leicht gekürzte und aktualisierte Stück im Sinne des „Zombie“-Regisseurs George A. Romero. „Seine Filme sind vor dem Hintergrund der Rassenunruhen in den USA entstanden“, erklärt er und bemerkt: „Gute Horrorfilme sind immer politisch.“ Der erste „Godzilla“ sei zum Beispiel ein Antikriegsfilm.
Apokalyptische Standardsituation
Jede Menge Verweise auf „Dawn of the Dead“ von 1978 sind bei ihm zu finden. Das Bühnenbild ist ein Shoppingcenter, nur ohne Rolltreppe. Illustrationen von „Captain Berlin“-Zeichner FuFu Frauenwahl untermalen kritisch plakativ wie emotional die Szenerie. Durch die Ladenlokale geistern Zombies, die sich an die Flüchtlingskrise erinnern. „Menschen existieren nicht. Es ist eine apokalyptische Standardsituation“, meint Buttgereit. Und wenn zwei Monster der Realität über die Liebe sprechen, greift sich das dritte ans Herz und knabbert vor Schmerz daran. Keine Angst: „Es ist aus Reispapier und eingefärbtem Mett gemacht, glaube ich.“