Essen. Ein Volksbegehren kämpft für die Rückkehr zum Abi nach 13 Jahren. Dafür konnte man sogar am Sonntag in Rathaus und Wahlamt unterschreiben.
- Volksbegehren „Abitur nach 13 Jahren: Mehr Zeit für gute Bildung, G9 jetzt“ läuft noch bis Juni
- Unterschriftenlisten liegen im Rathaus, im Wahlamt und in Bürgerämtern aus
- Auch an vier Sonntagen gibt es die Gelegenheit zur Unterschrift - Premiere wurde gut angenommen
Dass das Thema Turbo-Abi die Essener bis heute umtreibt, belegen die aktuellen Anmeldezahlen des Gymnasiums Borbeck: 115 Kinder meldeten sich jetzt am Gymbo an, und so kann Essens einzige Schule mit neunjähriger Gymnasialzeit (G 9) wieder mit vier Eingangsklassen ins neue Schuljahr gehen. Und alle, die sich eine flächendeckende Rückkehr zu G 9 wünschen, können derzeit für ein Volksbegehren zum Thema unterschreiben. Die Listen lagen auch am Sonntag im Rathaus sowie im Wahlamt am Kopstadtplatz aus.
Von zehn bis 14 Uhr gab es dort die Gelegenheit zur Unterschrift. Und während Wahlamtsleiter Rüdiger Lohse keine Zahlen zur Teilnahme nennen darf, verraten Gabriele Breitbach und Margret Bromkamp, die den Sonntagsdienst im Rathaus-Foyer übernahmen, zumindest: „Es wird doch recht gut besucht.“
„Unsere Kinder fühlten sich sehr unter Druck gesetzt“
Da ist das Ehepaar aus Gerschede, das zwei Kinder hat, die längst studieren. Doch die Schulzeit haben Mutter und Vater nicht vergessen: „Unsere Kinder fühlten sich schon sehr unter Druck gesetzt.“ Im Übrigen, so ihr Eindruck, habe die achtjährige Gymnasialzeit, die die Jugendlichen zügiger an die Unis und ins Berufsleben habe bringen sollen, ihr Ziel oft verfehlt. „Wir kennen viele, die sich das Jahr zurückholen, in dem sie zum Beispiel ein Freiwilliges Soziales Jahr machen.“
„Unser jüngerer Sohn musste ein Jahr wiederholen“, berichtet ein anderes Elternpaar aus Borbeck. Während der Ältere noch in den Genuss von G 9 gekommen sei, habe der Jüngere zum ersten G 8-Jahrgang gezählt. „Gerade die ersten Jahre waren leidvoll. Er hatte unglaublich viel Hausaufgaben auf, auch weil die Lehrer wohl nicht wussten, wo sie etwas vom Stoff einsparen sollten.“ Mit besserer Vorbereitung hätte G 8 vielleicht klappen können, so aber bleibe ihnen nur der späte Protest. Ein Pädagoge stimmt in die Kritik ein: „Ich bin absolut gegen G 8 – als Lehrer und als Vater. Das war einfach so dilettantisch gemacht.“
Unterschriftenlisten liegen noch bis zum 7. Juni aus
Selbst ein 62-Jähriger, der keinen direkten Bezug zum heutigen Schulsytem hat, unterschreibt das Volksbegehren: Er habe das Gymnasium in der elf verlassen, eine Lehre zum Baustoffprüfer gemacht, Bautechniker gelernt und erst auf dem zweiten Bildungsweg Fachabi gemacht – mit 30 Jahren. Er fühle mit der jungen Generation: „Man muss nicht alles immer noch schneller machen.“
Keiner der Befragten mag seinen Namen nennen, aber für ihr Anliegen reicht es ja, wenn sie ihn auf die Unterschriftenliste setzen. Die städtischen Mitarbeiterinnen lassen sich vorher Personalausweis oder Führerschein zeigen und prüfen, ob derjenige in Essen gemeldet ist. Für Wahlamtsleiter Lohse war der Einsatz übrigens eine Premiere: „Das ist der erste Fall eines Volksbegehrens, und damit auch dieser Sonntagsöffnung.“ An folgenden Sonntagen wird sie von jeweils 10 bis 14 Uhr wiederholt: 26. März, 30. April und 28. Mai. Die Listen liegen aber auch wochentags aus – bis 7. Juni.