Essen. . Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz traf in der Jugendberufshilfe auf Menschen, deren Lebensläufe ähnliche Brüche aufweisen wie sein eigener.
- Der Politiker Martin Schulz hat Essen zum ersten Mal als SPD-Kanzlerkandidat besucht
- Bei der Jugendberufshilfe traf er auf junge Menschen, in deren Leben nicht alles glatt gelaufen ist
- Schulz, der auf seiner Deutschland-Tournee lernen und zuhören will, betont „Zuwendung zu den Menschen“
Martin Schulz auf Deutschland-Tournee: Mittwoch trifft er Ford-Arbeiter in Köln, Pflegekräfte in Moers und abends Feuerwehrleute in Marxloh. Donnerstagmorgen absolviert der SPD-Kanzlerkandidat seinen ersten Termin in Essen: bei der Jugendberufshilfe in Rellinghausen. Bei jungen Menschen, deren Biografien ähnliche Verwerfungen aufweisen wie seine eigene.
Er schaut angehenden Malern über die Schulter und kostet Kuchen bei den Köchen, er nimmt dankbar ein Rot-Weiss-Trikot der „Essener Chancen“ entgegen und fachsimpelt faktensicher über Legenden wie Penny Islacker und Boss Rahn.
Auf Menschen zugehen und mit ihnen ins Gespräch kommen, diese Disziplin beherrscht er aus dem Effeff.
Leitmotiv seiner Kampagne: „Die Zuwendung zu den Menschen“
In den Hallen an der Schürmannstraße gibt Martin Schulz geschickt den lernenden Kandidaten. Nicht den Oberlehrer, sondern den Politiker, der zuhört.
„Die Zuwendung zu den Menschen“ sei zentrales Element seiner soeben angeschobenen Kampagne. „Die Leute fühlen sich nicht respektiert, aber sie möchten zusammenhalten.“
Martin Schulz entstammt einfachen Verhältnissen, bricht die Schule ab und greift zur Flasche, als seine Profi-Fußballerkarriere scheitert. Doch er fängt sich, wird Buchhändler und Politiker, Bürgermeister und EU-Abgeordneter.
Viele sind unpolitisch und kannten den Kandidaten gar nicht
Etliche, mit denen er bei der Jugendberufshilfe ins Gespräch kommt, haben ebenfalls Rückschläge erlebt. Vanessa Pörtgen (24) ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder (2 und 5 Jahre). „Ich strebe eine Ausbildung an“, sagt sie, nachdem sie den Kandidaten einen „Amerikaner“ kosten lässt.
Bei den Metallbauern, die erneut durch erfolgreiche Lehrlinge aufgefallen sind, wünscht er Peres Yussif (24), einem gebürtigen Iraker, „viel Erfolg“ für die bevorstehende Zwischenprüfung.
Viele hier geben freimütig zu, dass sie unpolitisch sind oder gar noch nie von Martin Schulz gehört haben. Alexander-Hansmann Jackson, vor 24 Jahren in Zimbabwe geboren und seit 20 Jahren in Essen, erzählt, dass er es nach dem Hauptschulabschluss habe schleifen lassen.
„Ich finde Martin Schulz sehr sympathisch“
Doch jetzt endlich könne er die Kurve kriegen und die Metallbau-Ausbildung packen. Zur Wahl ist er noch nie gegangen. Doch das könnte sich dieses Jahr ändern. „Mein Vater hat von Merkel genug, er will jetzt Schulz wählen – ich vielleicht auch.“
In der „Prinz Ludwig“-Kantine kommt der Kandidat mit ausgewählten Jugendlichen ins Gespräch. Er legt sein Anzug-Sakko ab, interessiert sich für ihre Tätowierungen, erkundigt sich, ob sie Sport treiben, und lobt die höflichen Bedienungskräfte („Schmeckt gut“).
„Ich finde Martin Schulz sehr sympathisch, er kommt gut rüber“, sagt Tobias Nießen (22), ein angehender Maler. Wo er bei der Bundestagswahl sein Kreuzchen setzen werde, behält er allerdings für sich: „Nur die AfD kommt für mich nicht in Frage.“
„Der AfD-Killer im Ruhrgebiet“
Die SPD und die AfD: Die Wahlkampfstrategen in der Berliner Parteizentrale wissen nur allzu gut, wie sehr die Rechtspopulisten um enttäuschte Stammwähler in den Herzkammern der Sozialdemokratie buhlen. Deshalb haben sie für Schulz jetzt eine wichtige Rolle vorgesehen: die des „AfD-Killers im Ruhrgebiet“.
Auf Guido Reil angesprochen, erwidert Schulz: „Er ist aus Enttäuschung gegangen.“ Nun möchte er aber nicht über ihn sprechen, sondern „mit denen, die geblieben sind“. Dann fügt er einen Satz hinzu, der in der Causa Reil durchaus als Tadel an den Essener Genossen gedeutet werden darf. „Wir müssen uns fragen: Was können wir besser machen?“.