Essen. Weil es in Essen an Kita-Plätzen für Dreijährige fehlt, geben viele Eltern ihre Kinder schon mit zwei in die Kita – oft mit großen Bedenken.
- Kita-Plätze für Dreijährige sind in Essen knapp, die Versorgungsquote liegt nur bei 91 Prozent
- Viele Eltern geben daher schon ihre zwei Jahre alten Kinder in die Kita, um sich einen Platz zu sichern
- Dabei plagt sie die Sorge, ob die Kinder bei der Tagesmutter nicht besser aufgehoben wären
Der Mangel an Kita-Plätzen bereitet vielen Eltern Sorgen, und manche entscheiden sich für ungeliebte Kompromisse, um die Betreuung ihrer Kinder langfristig sicherzustellen. So werden neuerdings immer mehr Zweijährige von den Tageseltern ab- und in der Kita angemeldet. „Die Eltern fürchten, dass sie keinen Kita-Platz mehr bekommen, wenn ihr Kind erstmal drei Jahre alt ist. Also schicken sie die Kleinen schweren Herzens schon ein Jahr früher in die Kita“, hat Tagesmutter Andrea Belusa beobachtet, die in ihrem Fördertürmchen in Dellwig acht Kleinkinder betreut.
Tatsächlich ist es mitunter leichter, einen Platz für ein Kind unter drei Jahren zu bekommen. „Durch den Umbau der Kita-Landschaft werden Plätze für über-Dreijährige im Moment sehr rar“, bestätigt Sozialdezernent Peter Renzel. So plagen sich auch die Eltern im Fördertürmchen, ob sie ihre Kinder länger in der Obhut von Andrea Belusa lassen oder sich zum August einen Kita-Platz sichern sollen.
„Allen Kindern gerecht zu werden, ist ein Balanceakt“
Der Sohn von Lisa Kraft wäre dann noch keine drei Jahre alt, er hat erst Ende November Geburtstag. „Maximilian ist recht selbstständig, trotzdem habe ich Sorge, dass er im Kindergarten untergeht, weil er wenig spricht.“ Als Grundschullehrerin ist Lisa Kraft mit Sechsjährigen und ihrer Vitalität vertraut. Sie ist nicht sicher, ob ihr Sohn in einer Gruppe mit Kindern diesen Alters gut aufgehoben wäre. Andererseits sei es gut möglich, dass die anderen Zweijährigen das Fördertürmchen zum neuen Kita-Jahr im August verlassen. „Dann rücken hier so kleine Mäuse nach, die noch kein Jahr alt sind.“ Und Maximilian wäre der Senior.
Eine Erzieherin aus dem Stadtteil bestätigt Krafts Bedenken: In ihrer Kita würden frei werdende Plätze von unten, also mit Zweijährigen, aufgefüllt. „Für die Kleinen ist das nicht immer so prima in einer Gruppe mit 18 Kindern bis zu sechs Jahren.“ Auf dem Außengelände seien bis zu 75 Kinder unterwegs. „Da allen gerecht zu werden, ist auch für mich und meine Kolleginnen ein Balanceakt.“
„Die Aushilfe kennt nicht mal alle Namen der Kinder“
Was das im Alltag bedeutet, hat Christina Teuwsen bereits erlebt: Ihre große Tochter Levke war bis Oktober 2016 im Fördertürmchen, dann wechselte sie mit zweidreiviertel Jahren in die Kita. Die sei nett, aber der Betrieb naturgemäß nicht so persönlich wie bei der Tagesmutter. Schon während der Eingewöhnungszeit wurde Levke zeitweilig in einer Notgruppe untergebracht. „Die Aushilfe kennt teils nicht mal alle Namen der Kinder.“
Gereon Inden schwankt noch, ob er seinen Sohn im August mit zweieinhalb Jahren in eine Kita geben soll. „Anton hat Probleme mit Gruppen, er braucht ein behütetes Umfeld. Schön wäre es, wenn wir mit dreieinhalb noch einen Platz für ihn bekämen.“ Weil das aber so ungewiss ist, hat Inden seinen Sohn schon bei einigen ausgewählten Kitas angemeldet: „Die Kita erzieht mein Kind mehr als ich, da zählt Vertrauen enorm – es reicht nicht, dass sie in der Nähe ist.“
„Wichtig ist doch, ob das Kind schon fit für die Kita ist“
Andrea Belusa wünschte sich, dass die Eltern allein mit Blick auf ihr Kind schauen könnten, ob es bei ihr bleibt oder fit für die Kita ist: „Ist es motorisch und sprachlich fit? Ist es ein Kuschelkind?“ Der Run auf die raren Kita-Plätze erschwere im übrigen auch die Arbeit der Tageseltern, weil die Kinder immer kürzer bleiben. „Dabei sind wir für die kleinen Kinder besser aufgestellt als Kitas“, sagt Rebecca Eggeling von der Interessengemeinschaft Kindertagespflege. Doch Dezernent Renzel ist überzeugt, dass die Entwicklung in eine andere Richtung geht: „In wenigen Jahren wird die Regelgruppe in einer Kita ab zwei Jahren sein.“
Eine Vertretung für Tagesmütter und -väter
Die Interessengemeinschaft (IG) Kindertagespflege hat rund 300 Mitglieder. Der Verein setzt sich für eine Professionalisierung der Tagesmütter und -väter ein und organisiert Fortbildungen für seine Mitglieder.
Bei den Kindern unter drei Jahren haben Tageseltern in Essen derzeit einen Betreuungsanteil von 36,6 Prozent. Nach einem Ratsbeschluss von 2011 soll der Anteil auf 25 Prozent gesenkt werden; die IG lehnt das ab.