Essen. . 2017 sind schon 55 Trickbetrugsanzeigen in Essen eingegangen. In vier Fällen machten falsche Polizisten fette Beute. Ein Opfer berichtet.

  • Kriminelle bringen eine Seniorin um eine hohe fünfstellige Summe.
  • Die ältere Dame aus Rellinghausen schildert ihre Erlebnisse
  • Sie will potenzielle Opfer warnen, damit es ihnen nicht ergeht wie ihr

Der stadtweite Beutezug professioneller Betrüger hat erschreckende Dimensionen angenommen. Sie geben sich als Ärzte aus, als Enkel, als Wasserwerker und immer häufiger als Polizisten. Aus vielen miesen Maschen weben sie ein kriminelles Netz, in dem sich vor allem ältere Essener reihenweise verfangen. Jeden Tag landen neue Anzeigen auf den Schreibtischen der Essener Kripo, die meist das Nachsehen hat.

Auf perfide Art und Weise

Ein trauriger Höhepunkt der aktuellen Betrugs-Welle: Bargeld und Schmuck im Wert einer hohen fünfstelligen Summe erbeuteten falsche Polizeibeamte in der vergangenen Woche bei einer Seniorin in Rellinghausen. Die knapp 80-Jährige will ihr genaues Alter und ihren Namen nicht nennen, doch sich das Erlebte von der Seele reden. In einem Gespräch mit dieser Zeitung auf dem Polizeipräsidium schildert die ältere Dame eindrücklich, auf welch perfide Art und Weise die Betrüger sie um ihr gesamtes Vermögen gebracht haben – auch um andere Bürger zu warnen: Jeder kann zum Opfer werden, ehe er sich versieht.

Wie wohl die meisten hätte die pensionierte Akademikerin „nie geglaubt“, dass ein fremder Anrufer sie dermaßen hinters Licht führen könnte. Und doch ist es passiert am 7. Februar. Das Unglück nimmt seinen Lauf, als das Telefon gegen 21.10 Uhr klingelt. Eine „110“ erscheint auf der Anzeige des Telefons, das der Anrufer digital manipuliert hat.

Schwerkriminelle in der Nachbarschaft unterwegs

Es meldet sich ein angeblicher Beamter mit süddeutschem Akzent und einer beunruhigenden Botschaft. Herr Haupt behauptet: In der direkten Nachbarschaft der Frau seien Schwerkriminelle unterwegs. Sie müsse ihr Eigentum schützen. Die Polizei werde ihr dabei helfen. Sie solle schnell ihren Schmuck und ihr Bargeld zusammenpacken. Ein Kollege werde ihr Vermögen abholen, an einen sicheren Ort schaffen und am nächsten Morgen zurückbringen.

„Sehr lange“, so die Seniorin, habe der Mann, der sich angeblich mit der Staatsanwaltschaft abstimmte, in einem „polizeilichen Fachjargon“ auf sie eingeredet. Der falsche Polizist erhöhte dabei nach und nach den Druck, gab sich aber gleichzeitig fürsorglich, um das Opfer enger an sich zu ziehen. „Die Täter kommen näher“, lügt er und säuselt: „Trinken sie ein Glas Wasser. Regen Sie sich nicht auf.“ Und dann: „Schnell, schnell. Es ist höchste Gefahr.“ Angeblich ist die Situation nun so brenzlig, dass Beamte in Schutzwesten erscheinen werden. „Auch für Sie ist eine dabei.“

Viele der Opfer sind am Boden zerstört

Es schellt Herr Müller, groß und schlank, das Haar so dunkel wie der Raum, in dem die Seniorin das Licht ausschalten und einen Koffer mit ihrem Vermögen deponieren sollte. So schnell wie er kam, ist der Mann wieder verschwunden – diesmal hat er fette Beute gemacht. Der Täter ist längst über alle Berge, als es der Frau zehn Minuten später dämmert, zum Opfer geworden zu sein und sie die Polizei alarmiert.

Die Dame aus Rellinghausen scheint das miese Spiel, das Betrüger mit ihr trieben, nicht aus der Bahn des Lebens geworfen zu haben: „Ich weine nicht. Wie es in mir aussieht, geht niemanden etwas an.“ Andere Opfer aber sind am Boden zerstört, kaum noch zu trösten, ihr Leben, ihre Zuversicht sind ruiniert, sagt Polizeisprecher Peter Elke. Ganze Existenzen werden vernichtet, während die Täter im Ausland mit dem Geld ihrer Opfer rauschende Partys feiern, weiß Kriminalhauptkommissar Joachim Beyer, der täglich nach solch tragischen Straftaten ermittelt.

Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein

350 Anzeigen waren es im vergangenen Jahr, bereits 55 in diesem. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein. Die Polizei vermutet, dass zumindest die Hintermänner der vermutlich psychologisch geschulten Täter im Ausland sitzen. Der Enkeltrick wurde von Polen aus gesteuert, hat sich allerdings abgenutzt, sagt Beyer.

Seit einem Jahr setzen die Betrüger auf die Masche mit den falschen Polizisten, die binnen sechs Wochen in Essen vier Mal beachtliche Beute machten. Die Opfer haben das Nachsehen: Für den Schaden kommt keine Versicherung auf, so lange die Täter keine Gewalt anwenden, sagt Beyer. Seelische Grausamkeiten zählen da nicht.

>>TÄTER DURCHFORSTEN TELEFONVERZEICHNISSE

Um an ihre meist älteren Opfer zu kommen, durchforsten die Trickbetrüger Telefonverzeichnisse nach altmodischen Namen, vermutet die Polizei.

  • Selbst wer seinen Eintrag streichen lässt, ist nicht vor den Kriminellen gefeit. Es existieren offenbar digitale Kopien alter Telefonbücher.