Essen. . Oliver Scheytt, ehemaliger Kulturdezernent der Stadt und „Kulturhauptstadt“-Geschäftsführer, kam mit 14 Jahren zur Folkwang-Uni nach Werden.
- Folkwang-Universität der Künste in Werden wird 90 Jahre alt. Scheytt moderiert den Festakt
- Mit 14 bekam Scheytt an der Folkwang-Uni Klavierunterricht, studierte später Musik - um dann doch zu wechseln
- 90 Jahre Folkwang - die Übersicht: Ehemalige, Gründer, Standorte im Ruhrgebiet
Wer ehemalige Folkwängler sucht, der wird in vielen Schauspielhäusern, Orchestern und Kultureinrichtungen des Landes fündig. Aber wenige vereinen die Innen- und Außensicht auf dieses traditionsreiche Bildungsinstitut vielleicht so sehr wie Oliver Scheytt. Mit 14 Jahren war Essens ehemaliger Kulturdezernent bereits Jungstudent in Werden. Mit 27 Jahren beteiligte er sich als Projektmanager beim großen Kulturfest „Folkwang ‘85“. Und als Geschäftsführer der Kulturhauptstadt 2010 konnte er schließlich auch die offzielle Ernennung und Verbindung aller Fachbereiche zur Folkwang-Universität der Künste mitfeiern.
Scheytt moderiert den offiziellen Festakt
„Für mich war das ein historischer Moment“, sagt der 58-Jährige heute. So liegt es nahe, dass Scheytt am Dienstag den Festakt zum 90-jährigen Jubiläum der Folkwang-Universität der Künste auch moderieren wird. 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur werden dabei am Ende auch ihr eigenes Votum über die Frage abgegeben können, was heute „Folkwang ist... “
Für Oliver Scheytt ist Folkwang auch ein Stück Familiengeschichte. Schon Vater Siegfried Scheytt hat in Werden studiert. Sohn Oliver, der von Jugend an Klavier und Cello spielt, ist zunächst Musikschüler am Essener Konservatorium. Als 1974 die Folkwang-Musikschule gegründet wird und das Konservatorium schließt, wird er mit einigen begabten Klavierschülern als Jungstudent an die Hochschule nach Werden verwiesen. Die Fahrt mit dem Doppeldeckerbus ist ihm heute noch so präsent wie der Gang durch den Torbogen: „Man fühlte sich sofort inspiriert.“
Am Ende entscheidet er sich doch für Jura
Die Anforderungen sind hoch, regelmäßiges Vorspielen Pflicht, bald wird ihm nahegelegt, das Cello-Spielen aufzugeben. „Aber heimlich habe ich doch weiter gemacht“, lächelt Scheytt. Er übt viel, hegt eine Weile den heimlichen Wunsch, Dirigent zu werden und beschließt irgendwann doch: „88 Tasten, das ganze Leben, jeden Tag. Das ist nicht meins.“ Stattdessen studiert Oliver Scheytt an der Bochumer Ruhr-Universität ab 1976 Jura.
„Folkwang ist . . . “ wird zur Online-Kampagne
Im Jubiläumsjahr setzt sich die Universität unter dem Motto „Folkwang ist...“ mit der Frage auseinander, was Folkwang für uns alle bedeutet und sammeln dazu bis Jahresende vielfältige Antworten sowie persönliche Sichtweisen.
Diese Beiträge - Interviews, Testimonials, Clips, O-Töne, Beiträge in Wort, Bild und Ton - werden ab 14. Februar auf der Kampagnenwebsite www.folkwangist.de veröffentlicht und über den Hashtag #folkwangist in die sozialen Medien eingebunden. Am Tag des Kampagnenstarts wird auch der Festakt in Werden gefeiert.
Das Studium aber finanziert er sich auch mit Klavierunterricht und gibt in kleinen Kreisen heute noch hin und wieder Kostproben seiner Kunst. Ein Kulturmanager und Dr. jur. mit einem Händchen für Schubert und Chopin. Seine Dissertation schreibt er zum Thema Musikschulen und schlägt damit wieder den Bogen zu seiner eigenen musikalischen Erziehung. 1985 ist er dann als Projektmanager dabei, um das Festival „Folkwang ‘85“ auf die Beine zu stellen. Ein Festival der Künste, bei dem die Hochschule auch zum Aushängeschild für das Ruhrgebiet als Kulturgebiet wird.
Im Herbst wird der neue Campus auf Zollverein eingeweiht
„Folkwang ist . . .“ für Scheytt deshalb nicht nur ein Lebensthema, sondern auch eine Brücke – quer durch die Region und bald auch durch die gesamte Stadt, von Süden nach Norden, von Werden nach Stoppenberg, wenn auf Zollverein im Herbst der neue Folkwang-Campus für den Fachbereich Gestaltung eingeweiht wird.
90 Jahre Folkwang - ein Schnelldurchlauf
Der Standort: Barockresidenz, Knast und Kunsthochschule: Das historische Hochschul-Gebäude in Werden gründet auf den Mauern der alten Benediktiner-Abtei. Die Säkularisation bedeutet 1803 das Ende. Die Mönche ziehen aus, Napoleons Soldaten nutzen das Gebäude als Zuchthaus. Die Preußen bauen später den so genannten Preußenflügel an. 1946 bezieht die Folkwangschule die Abtei.
Die Gründungsväter: Operndirektor Rudolf Schulz-Dornburg und Choreograf Kurt Jooss gründen mit Unterstützung des Essener Oberbürgermeisters Dr. Franz Bracht 1927 die „Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen“. Unterricht wird zunächst an der Friedrichstraße. Kurz darauf wird aus der von Alfred Fischer gegründeten Handwerker- und Kunstgewerbeschule die „Folkwangschule für Gestaltung“. Beide Schulen verbindet das Folkwang-Ideal von der Einheit der Künste.
Die Fachbereiche: Zu den frühesten Ausbildungs-Bereichen gehört die Kirchenmusikabteilung. Die Gründung des „Folkwang-Tanztheater-Studios“ gilt als legendär. Kurt Jooss, der neben Rudolf von Laban zu den frühen Mitbegründern gehört, legt das Fundament. Sein Anti-Kriegs-Ballett „Der grüne Tisch“ geht in die Tanzgeschichte ein. Seine Schülerin Pina Bausch trägt den Namen Folkwang schließlich in alle Welt. Das 1960 gegründete Folkwang-Tanzstudio wird zum Aushängeschild, auch für jüngere Choreografen wie Henriette Horn. Karl Tidten betreut früh die Abteilung Sprechen, Vorläufer der heutigen Abteilung Schauspiel. Anfang der 1970er kommt die Einrichtung der Lehramtsstudiengänge Musik hinzu. Musical und Jazz setzen in den 1980ern neue Akzente. Und die Pantomimen genießen in Werden seit über 50 Jahren eine bundesweit einmalige Ausbildung.
Folkwang im Ruhrgebiet: Die Folkwang-Uni ist heute im gesamten Ruhrgebiet vertreten. In Duisburg werden Alte Musik, Kammermusik und Klavier unterrichtet. Am Campus Bochum konzentriert sich die Theaterausbildung (Schauspiel und Regie). Dort ist auch das Institut für Populäre Musik zu Hause. In Dortmund betreiben die Musikhochschule des Landes gemeinsam das Orchesterzentrum.
Die Ehemaligen: Die Liste der prominenten Folkwang-Alumni ist lang. Schauspieler wie Armin Rohde, Anja Kruse, Jürgen Prochnow, Diether Krebs oder Martin Lindow haben Karriere gemacht.
Regisseur Hans Neuenfels hat in Werden studiert, aber auch Geigenstar Frank Peter Zimmermann, Pantomime Paco González, Tänzerinnen wie Reinhild Hoffmann, Jazzmusiker Kurt Edelhagen und Dirigent Lothar Zagrosek.
Folkwang International: Derzeit beheimatet die Uni gut 1600 Studierende aus 65 Nationen. 36 Prozent sind internationale Studierende und 64 Prozent Deutsche.
Schlaglichter - Folkwang im Zeitraffer
1927:Gründung der „Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen“ durch den Operndirektor Rudolf Schulz-Dornburg und den Choreographen Kurt Jooss mit Unterstützung des Essener Oberbürgermeisters Franz Bracht.
1928: Die schon seit 1911 bestehende Handwerker- und Kunstgewerbeschule wird zur „Folkwangschule für Gestaltung“. Der Name Folkwang steht nun für zwei Schulen und für die Einheit der Künste unter einem gemeinsamen ideellen Dach.
1934: Die Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen wird zur „Reichsfachschule für Musik“ erklärt. Kurt Jooss emigriert wie viele und kehrt erst 1949 ins Amt zurück.
1963: Die „Folkwangschule für Musik, Theater und Tanz“ wird durch Kabinettsbeschluss in den Rang einer Hochschule erhoben.
1968: Die Folkwangschule für Gestaltung will auch Hochschule werden. Aktionen aller Folkwang Disziplinen für eine gemeinsame Struktur und den gleichen Status.
1972: Trennung der Folkwangschule für Gestaltung von den anderen Folkwang Disziplinen. Trotz vieler Proteste wird der Bereich Gestaltung in die neu gebildete Gesamthochschule (Universität) Essen, Fachbereich 4, eingegliedert.
1988: Besetzung der Alten Aula. Künstler wie Piet Klocke, Helge Schneider und Pina Bausch machen mit. Das 400-stündige Non-Stop-Konzert zur Verhinderung des Abrisses zeigt Erfolg. Die Alte Aula steht bis heute.
2007: Die „Gestaltung“ kommt von der Uni Duisburg-Essen nach 35 Jahren an die Folkwang Hochschule zurück.
2010: Im April nennt sich die Folkwang Hochschule offiziell in „Folkwang Universität der Künste“ um.
2015: Grundsteinlegung für den Neubau des Fachbereichs Gestaltung auf dem Campus Zollverein.