In den vergangenen Jahren hat das Traditionsunternehmen Oschatz ein sagenhaftes Wachstum hingelegt. Nun aber haben Banken den Geldhahn zugedreht.

  • Die Oschatz GmbH hat am Montag Insolvenz angemeldet, weil Banken Kredite nicht verlängern wollten
  • 130 Arbeitsplätze am Hauptsitz in Essen-Frohnhausen sind betroffen
  • Das Unternehmen galt jahrelang als Vorzeige-Mittelständler mit rasantem Wachstum

Das graue, triste Februarwetter dürfte am Dienstag zur Stimmung am Westendhof gepasst haben. Die Oschatz GmbH ist insolvent. Am Montag stellte der Traditions-Kesselbauer den Antrag beim Amtsgericht in Essen, am Dienstag erfuhren die 130 Mitarbeiter davon. „Die Unsicherheit, wie es nun weiter geht, ist groß“, sagt ein Insider.

Auch der vorläufige Insolvenzverwalter Frank Kebekus aus Düsseldorf war am Dienstag vor Ort. Seine vordringlichste Botschaft: In den nächsten drei Monaten sind die Löhne der Mitarbeiter über das Insolvenzgeld gesichert. Zu den Zukunftsaussichten dagegen konnte er am Tag 1 nach dem Insolvenzantrag noch nicht viel sagen. Es werde jetzt vor allem darum gehen, die Geschäfte weiter zu führen, bekräftigte eine Sprecherin von Oschatz. „Wir sind da sehr positiv gestimmt.“

Erfahrener Insolvenzexperte für Oschatz

Kebekus ist ein erfahrener Insolvenzexperte, zuletzt leitete er als Verwalter das insolvente Modeunternehmen Steilmann. Nun soll er für Oschatz ein Sanierungskonzept erarbeiten.

Warum die Banken Oschatz den Geldhahn zugedreht haben, ist nicht bekannt. Wie es um das Unternehmen zuletzt wirtschaftlich stand, ebenfalls nicht. Der letzte Jahresabschluss, der im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, stammt aus dem Jahr 2014 und weist einen Millionenverlust aus. Damals äußerte sich die Geschäftsleitung jedoch verhalten zuversichtlich zur künftigen Geschäftsentwicklung im Kraftwerksgeschäft. Auch die Probleme mit dem Werk in der Türkei, das zwischenzeitlich stillstand, schienen damals überwunden zu sein.

Schlag für den Industriestandort Essen

 Hans-Jürgen Schrag (r.) mit seinem Sohn Jan-Christopher vor dem Bild von Hans Schrag, der den Unternehmenssitz 1951 nach Essen verlegte.
Hans-Jürgen Schrag (r.) mit seinem Sohn Jan-Christopher vor dem Bild von Hans Schrag, der den Unternehmenssitz 1951 nach Essen verlegte. © Kerstin Kokoska

Generell aber steht der konventionelle Kraftwerksbau seit einigen Jahren unter Druck. Im Inland gibt es nach wie vor kaum große Projekte, im Ausland läuft es vergleichsweise gut, aber wegen der großen Konkurrenz dort sind die Preise unter Druck. Eine Sprecherin von Oschatz sagte zur aktuellen Auftragslage lediglich: „Wir haben Potenzial, es kommen Aufträge rein“, allerdings handle es sich vielfach um Ersatzteilgeschäft, das nicht ausreichend ertragreich sei.

Bei der IG Metall in Essen läuteten am Dienstag ebenfalls die Alarmglocken. Es ist nicht das erste Unternehmen in der Stadt, das im herkömmlichen Kraftwerksbau tätig ist und jüngst ins Trudeln geraten ist. Nun dieser erneute Schlag für den Industriestandort Essen.

Oschatz als aufstrebender Mittelständler

Dabei stand das Unternehmen Oschatz viele Jahrzehnte sinnbildlich für den Mittelständler, der sich von Essen aus zum erfolgreichen Global Player mit heute 14 Tochterunternehmen weltweit aufgeschwungen hat. Die Entwicklung war vor allem mit dem Namen Hans-Jürgen Schrag verbunden. Er hatte das Unternehmen seines Vaters in seinen 20 Jahren als geschäftsführender Gesellschafter zu dieser Größe mit 1400 Mitarbeitern aufgebaut und international aufgestellt. In Essen war und ist der gebürtige Pfälzer auch in namhaften Gremien aktiv: Bis vor kurzem saß er im Präsidium der Industrie- und Handelskammer. Beim Essener Unternehmensverband ist er Mitglied im Vorstand.

Trotz der Firmengröße verkörperte Schrag den Unternehmer mit sozialem Gewissen und den „Chef zum Anfassen“. Vor drei Jahren übergab der damals 65-Jährige die Geschäfte an seinen Sohn Jan-Christopher und den technischen Direktor Andreas Albrecht. Seither ist er weiter als Konsulent der Geschäftsführung tätig.

Beim Stabwechsel im Jahr 2014 hatte Schrag gesagt: „Schon vor Jahrzehnten habe ich davon geträumt, Oschatz eines Tages zu einem Konzern zu machen.“ Eine Insolvenz jedoch dürfte damals in seinem Traum nicht vorgekommen sein.