Essen. . Die Reform der Pflegeversicherung sei ein großer Wurf, lobt die Familien- und Krankenpflege Essen. Und legt einen Wegweiser zum Gesetz vor.

Sie sind gelernte Krankenschwestern, arbeiten seit Jahren als Pflegeberaterinnen – und legen nun die fünfte Auflage ihres Bestsellers vor: „Durchblick Pflegeversicherung“ haben Claudia Schröder und Mechthild Nijhuis ihr Werk nüchtern genannt, das längst auch über Essen hinaus den Ruf eines unverzichtbaren Leitfadens genießt.

„Wer seit zehn Jahren pflegebedürftig ist, hat schon vier Reformen der Pflegeversicherung miterlebt“, sagt Dirk Brieskorn, Geschäftsführer der Familien- und Krankenpflege e.V. Der Pflegedienst mit Hauptsitz in Rüttenscheid ist Arbeitgeber von Nijhuis und Schröder und gibt den „Durchblick“ heraus, in dem die beiden die jeweils neuesten Regelungen anschaulich aufbereiten. Zum 20. Geburtstag der Pflegeversicherung habe der Gesetzgeber diesmal aber kein „halbherziges Reförmchen“, sondern tatsächlich einen „großen Wurf“ vorgelegt – im Sinne der Betroffenen.

Das Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben

So werde mit dem seit Jahresanfang geltenden Gesetz der Begriff der Pflegebedürftigkeit ganz neu bestimmt: Man orientiere sich nicht länger allein an pflegerischen Verrichtungen, was oft zu einer unseligen Minuten-Zählerei führte. Vielmehr verfolge man nun einen ganzheitlichen Ansatz, stelle den betroffenen Menschen mit allen Bedürfnissen in den Mittelpunkt. „Es reicht nicht, dass dieser sauber, satt und warm ist: Es geht hier um die Versorgung eines Individuums“, sagt Brieskorn. Und für diese werde auch eine gute Finanzierung bereit gestellt.

Mitunter geht es da um Feinheiten, deren Tragweite nicht sofort ins Auge fällt: Ob ein Pflegebedürftiger Treppensteigen kann, sei bisher nur geprüft worden, wenn es zu Hause eine Treppe gab. Neuerdings berücksichtige man, dass Pflegebedürftige auch mal unterwegs sind, und dann jede Treppe zur Hürde werden kann. „Da wird die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedacht“, sagt Nijhuis.

21 000 pflegebedürftige Menschen leben in Essen

Jetzt werde auch stärker gewürdigt, wie Demenz oder Altersdepression, Alltag und Lebensqualität beeinträchtigen können. Um die Pflegebedürftigkeit zu ermitteln wird auf psychische Problemlagen genauso geschaut wie auf die Mobilität, kommunikative Fähigkeiten oder die Gestaltung sozialer Kontakte. Insgesamt 62 Kriterien – erheblich mehr als bisher – führt das Gesetz nun auf. „Solche detaillierten Abstufungen überfordern Betroffene und Angehörige, sie brauchen einen Lotsen“, sagt Claudia Schröder. Darum hätten sie und Nijhuis den Durchblick so verständlich wie möglich formuliert.

Zwar gebe es jetzt auch den Anspruch auf eine Beratung bei den Pflegediensten, doch die Qualität dieser Angebote sei noch schwankend, bemängelt Brieskorn. Er hielte es für wünschenswert, wenn die gesetzlichen Krankenkassen oder die Kommunen eine zuverlässige Beratungsstruktur aufbauten; etwa in Seniorenbüros im Stadtteil. Am Bedarf gebe es keinen Zweifel: Allein in Essen leben 21 000 Pflegebedürftige, von denen 14 000 zu Hause wohnen, wo sie meist von Angehörigen betreut werden.