Essen. . In manchen Vierteln in Essen leben 65 Prozent der Kinder in Armut. Mit ihrem Kindermobil bringt die Awo jetzt Hilfe in betroffene Quartiere.

Sie verteilen Flyer, sprechen Eltern und Erzieherinnen an, aber die beste Werbung für das Kindermobil ist es selbst: Schneeweiß und neun Meter lang sei es halt ein Blickfang, sagt Thomas Rüth vom Jugendhilfe-Netzwerk der Arbeiterwohlfahrt (Awo). „Die Kinder stürmen das Mobil.“ Sie erhalten dort eine warme Mahlzeit, Tipps, wie man sich gesund ernährt – und Aufmerksamkeit. Das fehlt vielen Kindern, deren Familien von Hartz IV leben.

Es ist eine so bekannte wie traurige Tatsache, dass in Essen ein Drittel der Kinder in Armut leben. Im Landesschnitt liegt ihr Anteil bei 19,7 Prozent. Bei der Awo schaut man vor allem auf jene Armutsinseln, wo sogar bis zu 65 Prozent aller Kinder auf staatliche Unterstützung angewiesen sind: „Gerade im Norden der Stadt ist die Armut teils so ausgeprägt, dass die regelmäßige und gesunde Ernährung der Kinder nicht durchgehend gesichert ist.“

Das Team kocht für und mit den Jungen und Mädchen

Darum schickt man seit vier Wochen das Kindermobil auf Tour, das Jungen und Mädchen in prekären Wohnvierteln nicht nur bewirtet, sondern ihren Eltern auch Tipps gibt, wie man mit wenig Geld ausgewogen kochen kann. „Wir kochen für und mit den Kindern, weil wir auch die Kulturtechnik Kochen vermitteln wollen“, erklärt Rüth. Auch sei eine gemeinsame Mahlzeit ein Ritual, das dem Tag Struktur gebe.

Um das Mobil zu betreuen, wurde eine halbe Sozialarbeiterstelle neu eingerichtet, daneben sind eine Praktikantin und ein Bundesfreiwilligendienstler an Bord. Zum Team gehören auch vier Familienhelfer, die schon bisher für die Awo vor Ort tätig sind. Sie können weitergehende Hilfe leisten, wenn sich am Mobil zeigt, dass eine Familie besondere Unterstützung benötigt.

Brost-Stiftung unterstützt das Projekt mit 180.000 Euro

Denn neben gesunder Ernährung und Anregungen für regelmäßige Bewegung, soll es darum gehen, Vertrauen aufzubauen: Das Kindermobil soll zum Treffpunkt werden, an dem nebenbei soziale Kompetenzen erlernt werden. Das Fahrzeug ist mit Küche, Sitzecke und einem Vorzelt ausgestattet, unter dem ein gutes Dutzend Kinder gemeinsam essen kann. Es sei denn, es ist so klirrend kalt, wie bei der Präsentation des Mobils am Montag an der Awo-Kita Schalthaus Beisen in Katernberg.

180 000 Euro stellt die Brost-Stiftung bereit, damit das Mobil in den nächsten drei Jahren täglich zwei Standorte anfahren kann: morgens eine Kita oder Schule, am Nachmittag ein Wohnviertel. Im 14-täglichen Rhythmus erreiche man 400 Kinder. Eine Zahl, die Bodo Hombach von der Brost-Stiftung für so „beeindruckend wie bedrückend“ hält. Um hier Abhilfe zu schaffen, hatte der Club Kohlenwäsche das Projekt auf den Weg gebracht: Schon lange lade man arme Kinder am Wochenende zum Essen ein – „nun bringen wir diese Hilfe auf die Straße“, sagt Frank Stöblen vom Club, der sich auch in der Leseförderung engagiert. So hat das Kindermobil neben der Küche auch eine kleine Bibliothek.

„Arbeit in Brennpunkten braucht einen langen Atem.“

Dass es schon viele Projekte gibt, die Kinder aus der Armut befreien sollen, ohne dass sich die Situation grundlegend geändert hätte, ficht Awo-Geschäftsführer Oliver Kern nicht an. „Für Brennpunkt-Arbeit braucht man einen langen Atem.“ Das wisse er auch aus seiner Zeit als Erzieher in schwierigen Quartieren. Kürzlich habe er frühere Kita-Kinder von damals getroffen: „Die sind längst erwachsen, haben selbst Familie – und sie haben es geschafft.“