Essen. 2013 wurden die Vorwürfe bekannt. Am 25. Januar beginnt der Strafprozess gegen den früheren Chef der Essener Entsorgungsbetriebe (EBE).
- Früherer Chef der Essener Entsorgungsbetriebe wegen Untreue vor dem Landgericht
- Der 72-Jährige soll Betriebsräte und einen SPD-Ratsherren finanziell begünstigt haben
- Sein Verteidiger Nils Holtkamp weist die Vorwürfe als haltlos und juristisch falsch zurück
Die Stunde der Wahrheit rückt näher für Klaus Kunze. Am 25. Januar wird vor der XII. Strafkammer der Prozess gegen den ehemaligen Chef der Essener Entsorgungsbetriebe (EBE) beginnen. Veruntreuung von Firmengeldern in Höhe von 757 851 Euro wirft die 40 Seiten starke Anklage dem 72-Jährigen vor. Für seinen Verteidiger Nils Holtkamp völlig unberechtigt: „Herr Kunze wird mit Sicherheit kein Geständnis ablegen. Er steht zu jeder seiner Entscheidungen.“
Die Anklagebank wird mit sechs Männern besetzt sein, dazu ihre Verteidiger. Es sind neben Kunze Betriebsräte und ein Berater der EBE sowie ein Mülheimer Unternehmer. Sie sollen Vergünstigungen kassiert haben und müssen sich deshalb wegen Beihilfe verantworten. Aus Sicht der Anklage bildeten sie wohl eine Art „System Kunze“. Nähere Angaben zu Kunzes Motiven macht Staatsanwalt Hans-Joachim Koch nicht.
Mehrere Tatkomplexe wirft er Kunze vor, der das Unternehmen Ende 2013 verließ, nachdem Mitgesellschafter Remondis (49 Prozent) die mutmaßlichen Untreuehandlungen aufgelistet hatte. Die Stadt hält an der EBE 51 Prozent.
Kunze, früher städtischer Beamter, soll die EBE im Stil eines Gutsherren geführt und Gelder ohne Wissen des Aufsichtsrates verteilt haben, behauptet die Anklage. Konkret geht es um einen angeblich überteuerten IT-Beratervertrag für den ehemaligen SPD-Ratsherren Harald Hoppensack. Dadurch sei der EBE ein Schaden von 122 263 Euro entstanden.
Dem langjährigen freigestellten Betriebsratschef Thomas Altenbeck soll Kunze zudem einen Gehaltssprung und einen Dienstwagen genehmigt haben. Beides laut Anklage ohne Rechtfertigung. Zwei einfachen Betriebsräten soll der Chef ebenfalls Dienstwagen und eine Gesundheitsvorsorge ermöglicht haben. Diese Vergünstigungen beziffert die Anklage auf 95 732,98 Euro. Hinzu kommt ein aus Sicht von Staatsanwalt Koch überflüssiges Poolfahrzeug. Der Audi A 6, der angeblich gar nicht genutzt wurde, kostete das Unternehmen 26 098,67.
Vorsorgeuntersuchungen bei einem Essener Zentrum für Präventionsmedizin erlaubte Kunze laut Anklage nur einem kleinen Kreis von Mitarbeitern. Auch das soll ein Schaden sein: 9500 Euro. Mit Scheinrechnungen soll die EBE gearbeitet haben, um einem Mülheimer Schrottverwerter unberechtigt Geld zu geben. Da betrug der Verlust 98 712,10 Euro.
Der sechste und letzte Tatkomplex betrifft die kostenlose Überlassung von EBE-Angestellten als Fahrer für die Bürgermeister Annette Jäger und Rudolf Jelinek, beide SPD. Das wäre die höchste Schadenssumme: 334 416,35 Euro.
Kunzes Verteidiger Nils Holtkamp wundert sich, dass die Strafkammer unter Richter Simon Assenmacher die Anklage überhaupt zugelassen hat. Sie sei juristisch falsch: „Die Staatsanwaltschaft sagt nicht einmal, dass Kunze das Geld in die eigene Tasche gesteckt hat.“ Im parallel laufenden Zivilprozess sei bereits der Nachweis geführt worden, dass der Beratervertrag nicht überteuert war.
Auch Rechtsanwalt Sven-Henning Neuhaus, der einen der Betriebsräte verteidigt, hält die Anklage für unberechtigt: „Wir hatten ein Vorgespräch mit der Staatsanwaltschaft. Und danach waren wir schon verwundert, dass unser Mandant angeklagt wurde.“
18 Sitzungstage hat die XII. Strafkammer geplant. Es könnten mehr werden, da bislang alle Angeklagten die Vorwürfe zurückgewiesen oder geschwiegen hatten. Ungewöhnlich: Die EBE hat die Zulassung als Nebenkläger beantragt, ein Instrument, das eigentlich für Opfer von Gewaltdelikten gedacht ist. Verteidiger Holtkamp: „Es wird ein harter Kampf werden.“