Essen. . Jochen Sander war Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. Karriere machte er bei der städtischen EVV. Für Verwunderung sorgt nun sein Gehalt.
- EVV-Prokurist Jochen Sander soll laut Bericht des „Informer“ 160 000 Euro pro Jahr verdienen
- Sein Gehalt teilt sich die EVV und der Allbau. Aufsichtsräte zeigen sich überrascht
- Sander war vor Wechsel zur EVV Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. Spekulation über Klüngel
Ein Bericht des Stadtmagazins „Der Informer“ hat in politischen Kreisen Stirnrunzeln und Verwunderung ausgelöst. Im Mittelpunkt der Story steht Jochen Sander, langjähriger Prokurist bei der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) und neuerdings auch bei der städtischen Wohnungsgesellschaft Allbau. Als Prokurist soll er mehr verdienen als so mancher städtischer Geschäftsführer. Dass mit Sander einige andere aus dem Dunstkreis von Politik und Verwaltung fast zeitgleich Karriere bei städtischen Töchtern machten, bietet Anlass für Spekulationen.
Politisch interessierten Lesern dürfte Jochen Sander als Fraktionsgeschäftsführer der Grünen in Erinnerung sein. Diesen Job gab er bei seinem Wechsel zur EVV auf, fast zehn Jahre ist das nun her. Wer im Sport zuhause ist, kennt ihn möglicherweise in seiner Funktion beim Essener Sportbund, dessen 2. Vorsitzender er ist.
Sander gilt als gut vernetzt in der Stadt, zählt aber nicht zu jenen, die sich in den Vordergrund drängen. Plötzlich steht er im Fokus. Der Grund: Als Prokurist soll er 160 000 Euro pro Jahr beziehen. Aufsichtsratsmitglieder zeigten sich über die Summe überrascht. Die Verwunderung war umso größer, da der Allbau 90 000 Euro von Sanders Gehalt tragen soll. Die Kontrollgremien sollen darüber nicht informiert worden seien. Über das Gehalt eines Prokuristen entscheidet allein die Geschäftsführung.
Holdinggesellschaft EVV wird kleiner gesetzt
Bei der EVV kümmerte sich Sander um strategische Fragen, etwa um die Ausrichtung der Abfallwirtschaft und des Nahverkehrs. Auf Beschluss des Stadtrates wird die Holding-Gesellschaft kleiner gesetzt. Sie soll sich künftig allein der Sicherung des steuerlichen Querverbundes von Evag und Stadtwerken widmen (siehe Kasten). Im Beschlusstext ist von der „Abwicklung der operativen Restaktivitäten“ die Rede.
In Aufsichtsratskreisen stellt man sich die Frage, welche Aufgabe Sander bei der EVV zukommt, und ob diese ein solches Gehalt rechtfertigt.
„Ich kann mit Herrn Klieve hier nicht bei Null anfangen“, sagt dazu Lothar Grüll, seit 1. Januar gemeinsam mit Stadtkämmerer Lars Martin Klieve Geschäftsführer der EVV. Zum Gehalt seines Prokuristen will Grüll sich nicht äußern. Dazu nur soviel: Gute Leute hätten ihren Preis. Im Vergleich zur freien Wirtschaft seien Geschäftsführer städtischer Gesellschaften eher unterbezahlt. Das gelte auch für Mitarbeiter aus der „zweiten Reihe“.
Änderungskündigungen sind ausgeschlossen
Grüll und Klieve führen bei der EVV fort, was sie vorgefunden haben. Vereinbart worden sei, dass mit der Neuausrichtung der Gesellschaft kein Mitarbeiter besser gestellt werde, aber auch niemand „ins Bergfreie fällt“. Betriebsbedingte Kündigungen oder auch Änderungskündigungen seien ausdrücklich ausgeschlossen. Dass der Allbau nun einen Großteil von Sanders Gehalt übernimmt, nennt der ehemalige Verdi-Funktionär Grüll folgerichtig. Sander habe auch bei der EVV für die Wohnungsgesellschaft gearbeitet.
Sander selbst zieht es vor zu schweigen. Auch Spekulationen über eine „Kölsche Lösung“ lässt er unkommentiert. Fast zeitgleich mit Sander wechselte seinerzeit SPD-Fraktionsgeschäftsführer Hartmut Kütemann-Busch zur Grundstücksverwaltung Essen (GVE); heute ist er Geschäftsführer der Essener Arbeit- und Beschäftigungsgesellschaft (EABG).
Franz-Josef Ewers, damals Vorsitzender des Personalrates, wurde Chef der Weißen Flotte Baldeney, und bald darauf Wolfgang Fröhlich, ehemaliger Büroleiter von OB Wolfgang Reiniger (CDU), Geschäftsführer der städtischen EVV Verwertungs- und Betriebs GmbH.
>>DAS IST DIE EVV
Die Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) wurde 1979 als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt Essen gegründet, um den steuerlichen Querverbund sicherzustellen; Gewinne der Stadtwerke werden seitdem Verlusten der Evag gegengerechnet. Beide kamen unter das Dach der EVV. In den folgenden Jahren kamen die Entsorgungsbetriebe, der Allbau und die RGE Servicegesellschaft hinzu.
Ab 2006 übernahm die EVV weitere Service-Aufgaben wie Revision, Recht, Controlling und IT, um städtische Gesellschaften von diesen zu entlasten, getreu dem Motto: einer für alle.
Geschäftsführer von Evag, Stadtwerken, EBE, RGE und Allbau übernahmen in Personalunion die Führung der EVV wahr.
Auf Beschluss des Rates wird die EVV nun zurückentwickelt zur reinen Finanzholding, die sie einst war. Die Stadt will so Kosten senken. Doppelstrukturen hätten eine einheitliche Steuerung der EVV erschwert.