Essen. Der Anschlag in Berlin drückt die Stimmung auf dem Essener Weihnachtsmarkt. Manche Mitarbeiter sind froh, wenn am Wochenende Schluss ist.
- Die Atmosphäre auf dem Kennedyplatz nach dem Anschlag: Eine Mischung aus Furcht, Resignation und Trotz
- Veranstalter Essen Marketing (EMG) lässt Gedenkplakate aufhängen: „Unsere Gedanken sind in Berlin“
- Viele befürchten, dass der Anschlag den Umsatz der nächsten, letzten Tage massiv drückt
Hatice Topcu, Bratwurst-Verkäuferin auf dem Weihnachtsmarkt am Kennedyplatz, wollte am Dienstag eigentlich nicht zur Arbeit gehen. „Seit gestern Abend, seit den Nachrichten von Berlin, möchte ich nicht mehr. Im Grunde ist der Weihnachtsmarkt jetzt vorbei, die Leute werden sowieso nicht mehr kommen.“
Der Morgen nach dem Anschlag – es ist kurz vor elf Uhr, die Sonne scheint über Essen, der Himmel strahlt eisblau, bei Hatice Topcu auf dem Grill am Stand „Gourmet-Hütte“ brutzeln verheißungsvoll die Bratwürstchen. Doch die allgemeine Stimmung ist derzeit das, was man verhalten nennt. Dazu trägt auch die ungewöhnliche Stille bei – auf Musik wird am Dienstag verzichtet, aus „Solidarität mit den Opfern“, wie es heißt.
„Was machst du, wenn das hier passiert?“
„Ich hab’ kaum geschlafen heute Nacht“, meint Heike Wischnewski, die wenige Meter weiter auf dem Weihnachtsmarkt traditionellen „Honig-Met“ und Früchtebrot verkauft. „Das erste, was mir in den Kopf schoss, war ein Gedanke an die Fluchtwege – was machst du, wenn das auch hier passiert.“ Sie blickt von ihrem Stand aus hinüber zu den Schluchten, die die großen Gebäude auf dem Kennedyplatz bilden – zwischen Primark, dem Herold-Haus mit seinen „Motel One“-Hotel zum Beispiel. „Da können im Zweifel auch überall Laster durch.“ Andererseits: Dass in Essen genau das Gleiche passieren könnte wie in Berlin, halten zu diesem Zeitpunkt die meisten Menschen für unwahrscheinlich.
Direkt zum Verkaufsstart am Dienstag hatte der Weihnachtsmarkt-Veranstalter, die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) 250 Farbkopien erstellt – darauf ein Bild der Berliner Gedächtniskirche mit der Zeile: „Unsere Gedanken sind in Berlin“. Im Lauf des Vormittags, so die Idee, sollen alle Verkäufer dieses Bild an ihre Stände heften.
Der Platz füllt sich nur langsam
„Man kann nur an Gott glauben und hoffen, dass es gutgeht“, sagt Elisabeth Gross, die an ihrem Stand mitten auf dem Kennedyplatz traditionelle Weihnachtsfiguren aus dem Erzgebirge verkauft. „Nur der Glauben hilft gegen die Angst.“ Der Kennedyplatz füllt sich an diesem Vormittag nur langsam. Wenige Gruppen schlendern durch die Gänge.
Schauplatzwechsel: An vorderster Front auf dem Willy-Brandt-Platz liegt der Imbiss-Stand von Emine Sonkaya und ihrer Kollegin Alene Arayan. Sie schauen direkt auf den Autoverkehr, die Holle- und Hachestraße, die Unterführung, in der die Wagen von Süden aus kommen. Der Willy-Brandt-Platz liegt so gesehen ungeschützt, Poller gibt es nicht, jedes Auto könnte theoretisch direkt in den Grill der beiden Damen rauschen. „Ich hab’ schon ziemliche Angst“, gibt Alene Arayan zu. „Bislang war das nicht so, aber seit gestern Abend ist das anders.“ Emine Sonkaya widerspricht: „Man darf keine Angst haben. Das bringt nichts.“
Einige Schulklassen sind an diesem Morgen unterwegs. Den Ausflug absagen? „Nein“, sagt eine Lehrerin, die ihre Schüler begleitet, in einer Mischung aus Trotz und Selbstbewusstsein. Vielleicht ist das die richtige Einstellung an diesem Tag.
Einzelhandelsverband hofft, dass Kunden sich nicht vom Besuch der Innenstadt abhalten lassen
Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, hofft, dass sich die Essener nicht von einem Besuch des Weihnachtsmarktes und der Innenstadt abhalten lassen. "Wenn jeder zu Hause bleibt, dann würde das bedeuten, dass die Terroristen ihr Ziel erreicht haben", sagte er.
Er könne verstehen, wenn Menschen jetzt mit einem mulmigen Gefühl in der Innenstadt unterwegs seien. Wichtig sei vor allem, dass alle wachsam blieben." Jeder sollte die Augen offen halten.