Essen. . Ewald Priebe betrieb an der Segerothstraße gegenüber von der Uni 34 Jahre lang einen Kopierladen. Warum die Geschäfte zuletzt schwierig wurden.

  • Der gelernte Mechaniker hatte ab 1954 bei einem Schreibmaschinen-Hersteller eine Lehre gemacht
  • Mit Grauen erinnert er sich an die ersten Ausdrucke von Farbkopierern: „Die wollte erst keiner haben“
  • Einen Nachfolger für sein Geschäft hat er nicht gefunden. Heute drucken die meisten Studenten selbst

In Zeiten von Online-Lernplattformen, mit denen Uni-Professoren Texte zum Ausdrucken für die Studenten bereitstellen, tun sich Kopiergeräte schwer an deutschen Hochschulen. Das war mal anders. Im November 1982 zum Beispiel, da öffnete Ewald Priebe seinen Copy-Shop an der Segerothstraße, direkt gegenüber vom KKC, der Uni-Kneipe. Aber Moment: „Der Laden lief erst überhaupt nicht“, sagt Priebe und meint dabei seinen Copy-Shop, nicht das KKC.

Der Laden lief erst überhaupt nicht

„Ich wollte zehn Pfennig pro Kopie nehmen, aber auf der anderen Seite vom Campus gab es damals schon einen, der war auf fünf Pfennig.“ Tja. Es war die Zeit, als Studenten noch auf fünf Pfennig guckten, falls sie das heute nicht mehr tun sollten. Und als in direkter Nachbarschaft, 30 Meter weiter, noch ein Kopierladen aufmachte, der ebenfalls nur fünf Pfennig nahm, da senkte auch Priebe den Preis. Und dann: „Ab da war der Laden immer voll.“

34 Jahre stand Priebe an den Geräten, täglich von 8.30 bis 18 Uhr, samstags 9 bis 13, womit man ein weiteres Mal mit dem Klischee aufräumen kann, dass Studenten Langschläfer sind: „Das frühe Aufmachen hat immer gelohnt, es gab sehr viele, die schon bei Geschäftsbeginn vor der Tür standen.“ Priebe bot das volle Programm: Kopieren, Binden, später auch Scannen und Digitaldruck.

Priebe, ein freundlicher Mann mit lachenden Augen, ist gelernter Mechaniker. Jahrgang 1938. Er kam nach dem Krieg aus Pommern nach Schleswig-Holstein, wuchs auf in der Nähe von Rendsburg, seinen nordischen Akzent hat er bis heute behalten. Dann hieß es: Umsiedlung nach Wuppertal, 1954 begann Priebe seine Lehre beim Schreibmaschinenhersteller Voss. „Die bauten damals 400 mechanische Maschinen im Monat, doch heute kennt sie wahrscheinlich niemand mehr.“ Kleine Suchanfrage bei Ebay: Ab 15 Euro aufwärts ist man dabei, es gibt hübsch anzusehende Geräte auch aus der Zeit, als Priebe in Wuppertal seine Lehre machte. Die antiken Maschinen werden heute gerne mit dem Wort „Vintage“ beworben.

Es waren dann einige Umwege und berufliche Stationen, bis Priebe schließlich seinen Laden in Essen eröffnete und blieb – bis Ende vergangener Woche.

Alle Geräte verkauft

Auch zwei Stunden vor Schluss an seinem letzten Arbeitstag kommen noch vereinzelt Studenten hinein, vor allem Asiaten, die an der FOM studieren, doch Priebe muss abwinken: „Ich hab’ doch alle Kopierer schon verkauft!“

Tatsächlich sind die meisten Geräte an seinem letzten Arbeitstag schon weg, Priebe sitzt mehr oder weniger in einem leeren Ladenlokal, Telefon und Internet hatte er schon vor Wochen gekündigt. „Mein Sohn hat ein Abbruchunternehmen, der wird die restlichen Maschinen verschrotten.“

Sein Haus in Katernberg hat er in den Jahrzehnten, in denen Kopierer in Uni-Nähe quasi eine Art Gelddruckmaschinen waren, längst abbezahlt.

Alles selbst repariert

In den letzten fünf Jahren, sagt Priebe, sei das Geschäft immer schwieriger geworden. „Am Ende war’s plus minus null, da konnte ich auch meine Angestellte nicht mehr halten.“ Die monatliche Ladenmiete, fast 1000 Euro am Schluss, muss man da erst mal ‘reinbekommen.

Das Gute war immer: „Weil ich mein Handwerk gelernt hatte, musste ich keine teuren Wartungs- oder Reparatur-Services in Anspruch nehmen.“ Jedoch: Nach fünf oder sechs Jahren müssen die Geräte ausgetauscht werden, den gesamten Maschinenpark auszutauschen, bedeutete immer eine Investition von rund 100 000 DM.

Einen Nachfolger hat Priebe nicht gefunden. Was aus dem Ladenlokal wird, weiß er nicht. Er lacht, wenn er an alte Geschichten denkt: die ersten Farbkopierer zum Beispiel, Ende der Achtziger. „Die arbeiteten noch mit Säure, die wurde in Kanistern gelagert, alle sechs Wochen mussten die Kanister ausgetauscht werden.“ Eine ziemliche Sauerei sei das gewesen, und am Anfang habe kein Mensch Farbkopien haben wollen.

Aus Renaissance wird nichts

Zuletzt war jetzt viel die Rede davon, dass es womöglich eine Renaissance der Kopierer an Unis geben könnte. Das liegt an einem neuen Vertrag der Verwertungsgesellschaft „VG Wort“ mit den Hochschulen. „VG Wort“ kassiert Tantiemen für die Autoren. Online-Plattformen würden mit dem neuen Vertrag kaum noch nutzbar sein. Dann würden die Studenten wieder kopieren müssen. „Ob das aber wirklich so kommt“, sagt Priebe, „bezweifel’ ich“. Tatsächlich: Erst neulich teilte die Uni Duisburg-Essen mit, dass mit den Online-Lernplattformen alles so bleibt, wie es ist. Zumindest bis Herbst 2017. Es bleiben schlechte Zeiten für Kopierer.