Essen. . Die Erneuerung der Fassade am denkmalgeschützten Rheinstahl-Hochhaus kommt voran. Ein Besuch auf Essens wohl spektakulärster Baustelle.
Noch wölbt sich an diesem Dezembermorgen eine graue Wolkendecke über dem Rheinstahl-Hochhaus. Hoch oben pfeift ein strammer eiskalter Wind durch die fensterlose 18. Etage des knapp 80 Meter hohen Riesen. „Das war früher die Vorstandsetage“, sagt Projektleiter Hagen Lorenz, und schreitet zum großen Loch in der Fassade.
Unter ihm breitet sich das Häusermeer der Stadt aus. Der Verkehrslärm ist so stark, dass er bis nach oben dringt – aber nur, wenn der Bohrhammer zu rattern aufhört. Der ICE, der gerade in den Hauptbahnhof fährt, wirkt wie eine Modelleisenbahn.
Beste Aussicht auf die Stadt Essen
Die Aussicht ist bestens: Da vorne auf der Hachestraße werden gerade zwei falsch geparkte Pkw abgeschleppt. Das gut fünfzig Jahre alte, in Stahlskelettbauweise errichtete Rheinstahl-Haus hat etwas Majestätisches. Die Leute vom Bau nennen ihn respektvoll nur „den Turm“.
Anfang der sechziger Jahre war es eines der ersten Hochhäuser der Stadt, quasi der Grundstein der Essener Skyline: ein Zeichen des Aufbruchs in die Moderne. Vor Jahren spielte der damalige Eigentümer Thyssen-Krupp mit dem Gedanken, den Turm samt Nebengebäude und Parkhaus abzureißen. Die Denkmalschützer verhinderten das. Schließlich griff der Essener Investor Hubert Schulte-Kemper („Ruhrturm“) zu und sicherte seiner Fakt AG die Immobilie. Jetzt ist sie imposante Großbaustelle und will bald wieder moderne Landmarke sein.
Dem Rheinstahl-Haus drohte der Abriss
Die Fakt-Leute verströmen einen spürbaren Stolz, wenn sie vom künftigen „Fakt-Tower“ sprechen. Man saniere nicht, sondern revitalisiere. „Abreißen und neu bauen kann schließlich jeder“, sagt Fakt-Manager Alexander Naujoks. Und schwärmt von der Baugeschichte dieses Hochhaus-Klassikers. Denkmalschutz und Modernisierung vertragen sich bekanntlich nicht ohne Weiteres. Aber hier funktioniere es. „Wir werten den Standort auf im Einklang mit dem Denkmalschutz.“
Zu Besuch im Fakt-Tower
Die sichtbarste Veränderung passiert an den Fassaden. Die alten, kaum gedämmten Elemente aus Stahl, Naturstein und Einfachverglasung werden abgehängt und durch Sandwich-Elemente aus Aluminium, pulverbeschichtetem Blech und Wärmeschutz-Verglasung ersetzt. „Eine Vorhangfassade eben“, sagt der Projektleiter, der auf die katastrophale Energiebilanz des Altbaus hinweist. „Die hatten Heizkosten ohne Ende.“ Drinnen versuchen sie, die Büroetagen so komfortabel herzurichten wie in einem Neubau: Glasfaser, moderne Lüftung und Elektrik, Datenleitungen.
Fassaden-Puzzle aus 1092 Elementen
Statt den Hochhaus-Giganten komplett einzurüsten, wurde eine weitaus weniger aufwändige Alternative gewählt: die so genannte „Klettermastbühne“. Eine von ihnen ist beeindruckende 25 Meter breit und fährt über zwei Gittermasten ähnlich wie eine Zahnradbahn an der riesigen Fassade auf und ab. Für Statistik-Liebhaber: Jedes Element wiegt eine halbe Tonne, insgesamt besteht die neue „thermische Hülle“ aus 1092 Elementen.
Fassadenelemente anhängen: Was der Betrachter unten auf dem Gehweg als Kinderspiel empfinden mag, ist in Wirklichkeit ein komplexer Vorgang. „Wer auf der Bühne arbeitet, muss höhentauglich sein“, sagt Projektleiter Lorenz, und deutet auf den Kran, der wieder ein neues Fassadenelement anschweben lässt. Bei starkem Wind muss der Kran aus Sicherheitsgründen ruhen. Und in Essen, so sagt man, sei es häufig windig, um die Hochhäuser herum kommt es zusätzlich zu Verwirbelungen. Vor ein paar Tagen umhüllte sogar eine dicke Regenwolke die oberen Etagen. „Das war echtes Hochhaus-Feeling.“
Die Büros sollen wie neu werden
In der ersten Etage, Südseite, war einst Platz für elf Büros. Jetzt, da die alten Gipswände verschwunden sind, ist ein riesiger Raum, 50 Meter mal 5,50 Meter, entstanden. Künftige Mieter können sich die Größe ihrer Büros nach ihren Vorstellungen zuschneiden. Der ebenfalls 50 Meter breite aber nur sechs Etagen hohe Vorbau direkt an der Krupp-straße glänzt bereits mit der neuen Fassade, die optisch vom Original kaum zu unterscheiden ist.
Eines muss übrigens nicht modernisiert werden: die hochmodernen Aufzüge. Vorbesitzer und Weltmarktführer Thyssen-Krupp hat sie erst vor zehn Jahren eingebaut.