Essen-Burgaltendorf. . Der blinde Lehrer Marco Reich nimmt als einziger Deutscher am Festival in Nordafrika teil. Die Jury überzeugte er mit seinen Songs.

Wenn Marco Reich anfängt zu singen, dann ist er ganz bei sich. Warm, rau und bluesig klingt seine Stimme, die er auf der Gitarre begleitet. Mit seinen selbst komponierten Songs erzählt er Geschichten vom Leben und Überleben, von Leid, Liebe und Glück. Damit konnte er auch die Jury des 7. Internationalen Musikfestivals für blinde Musiker, das jedes Jahr in der marokkanischen Stadt Tétouan stattfindet, überzeugen.

Als einziger deutscher Musiker wird er heute Richtung Nordafrika fliegen. „Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet“, sagt der 42-Jährige. Infos hat er nur über die Reisedaten und die Unterkunft. „Und ich weiß bislang, dass ich am Sonntagabend spielen werde.“

Marco Reich hat nur zwei Prozent Sehkraft

Zu dem Festival kam er „wie die Jungfrau zum Kind“. In Blindenforen hatte er davon gehört und dann einfach mal eine Demoaufnahme nach Marokko geschickt, „und schon war ich dabei“. Vor dem Neuen, Unbekannten fürchtet er sich trotz seiner Behinderung nicht. „Ich bin nicht komplett blind, sondern habe auf dem linken Auge noch zwei bis drei Prozent Sehkraft“, erzählt der Grundschullehrer. Zwei bis drei Prozent – das reicht gerade aus, um die Welt in Licht und Schatten schemenhaft wahrzunehmen.

Sein Augenlicht hat der zweifache Familienvater allmählich verloren. Als Frühchen kam er in der 26. Schwangerschaftswoche auf die Welt, die Netzhautschädigung ist eine direkte Folge davon. Auf dem rechten Auge war Marco Reich von Anfang an blind, mit dem linken hatte er als Kind noch ein 20-prozentiges Sehvermögen. Was ihn nicht daran hinderte, Abitur zu machen und Lehrer zu werden. Und Klavier zu lernen. „Meine Eltern waren einfache Arbeiter und haben sich das Klavier vom Mund abgespart“, erinnert er sich.

Später kam dann die Gitarre dazu, „die kann man einfach leichter ans Lagerfeuer mitnehmen als ein Klavier“. U2, Sting, Police, Cat Stevens und die Toten Hosen sind seine Vorbilder, aber auch den Deutschrock von Peter Maffay findet er gut. Mit Hip-Hop und Rap kann er dagegen nichts anfangen: „Ich bin halt ein Kind der achtziger und neunziger Jahre.“

Blindenhund Paul ist immer dabei

Der Blindenhund Paul begleitet den Lehrer Marco Reich auch während des Unterrichtes.
Der Blindenhund Paul begleitet den Lehrer Marco Reich auch während des Unterrichtes. © Andreas Mangen

Aus dem Hobby Musik wurde schnell eine Passion und später ein Beruf: Denn Marco Reich spielt nicht nur in einer Band und tritt als Singer-Songwriter auf, er unterrichtet auch die Kinder der Burgaltendorfer Grundschule in Musik und in Englisch. „Angefangen habe ich mit Mathe, Deutsch, Englisch und Musik, aber durch meine abnehmende Sehkraft kann ich keine Fächer mehr unterrichten, in denen viel geschrieben wird.“ Damit er sich gut zurechtfindet, hat er in der Schule nicht nur eine digitale Tafel, sondern auch ein eigenes Unterrichtszimmer, indem er sich ohne Probleme orientieren kann.

Zur Freude der Kinder kommt seit einem Jahr sein Hund Paul mit – der Labrador ist ein ausgebildeter Blindenhund. Damit Paul nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, hat Marco Reich klare Regeln: „Die Kinder dürfen den Hund nicht rufen und nicht mit ihm spielen.“ Wird es mal zu doll, muss Paul in den Nebenraum.

Dolmetscher begleitet den Musiker nach Marokko

Nach Marokko kann er jedoch nicht mit. Dorthin wird Marco Reich von einem Deutsch-Marokkaner begleitet, der ihm während des viertägigen Aufenthaltes nicht von der Seite weicht und für ihn dolmetscht. „Ich freue mich besonders darauf, dort den anderen blinden Musikern aus aller Herren Länder zu begegnen. Das ist für mich eigentlich das Spannendste an dieser Reise.“