Essen. . Jens Bingert hat die Leitung des Aalto-Opernchores übernommen. Ihn fasziniert die Arbeit mit der menschlichen Stimme und die Vielfalt des Repertoires

Jens Bingert gehört zu den Menschen, für die klassische Musik von Kindheit an zum Leben gehört. Und trotzdem wird man den leidenschaftlichen Musikfreund nach Feierabend kaum beim Abhören einer CD antreffen. Jede Pause, jeden Einsatz, jedes Atmen schon im Vorhinein zu kennen, „das langweilt mich“, sagt der 45-Jährige. Bingert liebt das Live-Erlebnis. „19.30 Uhr, wenn der Vorhang hoch geht“, das ist seine Zeit. Als neuer Leiter des Essener Opernchores kann Bingert dieses Live-Erlebnis nun regelmäßig genießen.

Der studierte Kirchenmusiker und ausgebildete Chor- und Orchesterleiter hat in der aktuellen Spielzeit die Nachfolge von Alexander Eberle übernommen. Der Wechsel von den Wuppertaler Bühnen nach Essen ist ihm leicht gefallen. „Der Chor hat einen sehr guten Klang“, lobt der gebürtige Rheinland-Pfälzer. Jetzt gelte es vor allem, „genau hinzuhören und individuelle Schräubchen zu drehen“, lächelt der 45-Jährige, der trotz der anstehenden „Lohengrin“-Premiere am Sonntag mit freundlicher Ausgeglichenheit über seine Pläne am Aalto Auskunft gibt.

Abwechslung des großen Aalto-Repertoires begeistert

Dass Jens Bingert kein Zuchtmeister alter Schule ist, der mit eisernem Besen für den exakten Klang sorgt, das kann man schon seiner Selbstbeschreibung entnehmen. „Ich verstehe mich eher als Trainer, als Motivator“, erklärt der Chorleiter, der in Köln Kirchenmusik und danach an der Essener Folkwang-Universität Chor- und Orchesterleitung studiert hat. Eine Karriere als Dirigent wäre denkbar gewesen. Doch so sehr Bingert den Klang von Geigen und Oboen schätzt, ist es doch die menschliche Stimme, die ihn vollkommen fasziniert. Mit dem Engagement als Solorepetitor in Köln begann die Theater-Karriere, führte ihn von Trier über Wuppertal nach Essen.

Die „Norma“ war sein künstlerischer Einstieg, mit Wagners „Lohengrin“ kommt nun gleich eine „riesige Herausforderung“ auf ihn zu, „man muss einfach wahnsinnig viel organisieren“.

Aber gerade die Abwechslung des großen Aalto-Repertoires ist es, was den Vollblutmusiker bei der Arbeit begeistert. Heute mit spritziger Heiterkeit eine „Figaro“-Vorstellung zu singen und morgen mit der angemessen dunklen Färbung den „Lohengrin“ anzustimmen, das sei nun mal die vielfältige Aufgabe eines Opernchores. 48 ganz unterschiedliche Menschen einerseits auf einen einheitlichen Klang einzuschwören und doch die Individualität jedes einzelnen wertzuschätzen, das sei die Herausforderung des Chordirektors, weiß Jens Bingert. Und dass man bei allem Anspruch an die Exaktheit des Chorklangs natürlich auch einkalkulieren müsse, dass sich die Sänger auf der Bühne bewegen und spielen müssen, gehört für Bingert zum Probenprozess dazu. Dafür ist jede Vorstellung ja schließlich live und einmalig.