Essen. . Drei Jahrzehnte lang hat Ludger Claßen den Essener Buchverlag geleitet, die publizistische „Erfindung“ des Ruhrgebiets ist auch sein Werk.
Ein nettes Bonmot mit einem wahren Kern: „Es soll Leute in München geben, die halten das Ruhrgebiet für eine Erfindung des Klartext-Verlags.“ Tatsächlich hat Ludger Claßen, auf den diese Worte gemünzt waren, die Region während seiner 31-jährigen Tätigkeit an der Spitze des Verlags publizistisch ein gutes Stück miterfunden. So sah es jedenfalls auch Laudator Andreas Rossmann. Der Kulturredakteur, der bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf das Thema Ruhrgebiet abonniert ist, verabschiedete den 63-jährigen Claßen am Montagabend im Grillo-Theater mit einer bewegenden Rede in den Ruhestand.
Gestartet als Forum einer dezidiert linken „Gegenöffentlichkeit“, machte Claßen aus dem Klartext-Verlag rasch ein profitables Unternehmen, das den schmalen Grat zwischen Ambition und Kommerz sicher traf und besonders für die historisch grundierte Selbstentdeckung des Ruhrgebiets viel leistete. Das blieb so, als „der Verleger alten Schlags“ (Rossmann) sein Haus nach vielen Jahren vertrauensbildender Zusammenarbeit 2007 an die heutige Funke- und damalige WAZ-Mediengruppe verkaufte. Funke-Geschäftsführer Michael Wüller würdigte in sehr anerkennenden Worten Claßens Lebensleistung und seine Verdienste „für das Ruhrgebiet, für die Geschichtskultur und für die Funke-Gruppe“.
In Zukunft will Ludger Claßen sein Schreibtalent als Buchautor wiederbeleben
Vor rund 100 Freunden, Mitarbeitern und Weggefährten aus der Essener Kultur- und Medienszene ließ Claßen dann selber sein Berufsleben Revue passieren, und zwar anhand von Büchern, die für ihn wichtig waren oder besonders skurrile Verleger-Situationen markierten. Das unvergessene „So werde ich Heribert Faßbender“ etwa machte Klartext wegen eines Rechtsstreits unverhofft bundesweit berühmt und spülte genau deshalb auch Geld in die Kasse. Das Buch „Die Zukunft des Sozialismus“ wurde 1989 unter dem überraschenden Mauerfall begraben, und den „Mythos Trümmerfrau“ hat Klartext erst publizistisch mitgeschaffen und dann viele Jahre später, als die Forschung weitergekommen war, mit einem neuen Buch wieder beerdigt. Claßen ist ein begnadeter Anekdoten-Erzähler, und in drei Jahrzehnten kommt da einiges zusammen.
Weil der Neu-Rentner selbst es offen ansprach, soll es auch hier nicht verschwiegen werden: Ludger Claßen hat krankheitsbedingt ein sehr hartes Jahr hinter sich, ein Umstand, der ihn zwang, etwas früher als geplant beruflich kürzerzutreten. Nicht zuletzt deshalb hatte die Abschiedsfeier einen stellenweise doch sehr nachdenklichen und melancholischen Charakter.
Claßen will dennoch dem Verlag weiter beratend zur Seite stehen und außerdem das machen, was in all den Jahren zu kurz kam: sein Schreibtalent als Autor wiederbeleben. Ein eigenes Buch ist in Planung, Thema soll, wen wundert’s, das Ruhrgebiet sein. „Ich bin relativ sicher, dass du einen Verlag finden wirst“, witzelte Andreas Rossmann. Stimmt, wenn nicht alles täuscht, wird dieser Verlag Klartext heißen.
Alles Gute, Ludger Claßen!