Die evangelische Gehörlosengemeinde wird 100 Jahre alt. Pfarrer Volker Emler predigt seit 12 Jahren in Gebärdensprache

SERIE MITMENSCHEN Wer am ersten Sonntag im Monat den Gottesdienst der Lukaskirche besucht, ist zunächst überrascht: Dort wird der Besucher nicht mit Orgelmusik empfangen, sondern betritt einen stillen Raum. Gehörlosenpfarrer Volker Emler predigt zu seinen Gemeindemitgliedern in Gebärdensprache. Auch die Kirchenlieder werden nahezu geräuschlos mit den Händen vorgetragen.

Der 48-jährige Pfarrer betreut seit zwölf Jahren die evangelische Gehörlosen- und Schwerhörigenseelsorge, die in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen feiert. Bereits in seiner Ausbildung lernte Volker Emler die Gehörlosenarbeit kennen. Durch die Tätigkeit an der Essener Gehörlosenschule fand er "Interesse und Spaß" an Gebärden. Nachdem er acht Jahre als Pfarrer in Mühlheim tätig war, übernahm Emler 1995 die Seelsorge von Gehörlosen in den Kirchenkreisen Essen, Duisburg, Mülheim und Oberhausen.

Den etwas ungewöhnlichen Gottesdienst beschreibt der Pfarrer als "sehr ruhig, aber dennoch konzentriert". "Denn wenn ich eine Gebärde von den Händen und ein Wort von den Lippen nicht mitbekomme, muss ich mich sehr konzentrieren, um den Gottesdienst zu verfolgen."

Gehörlose Christen halten sehr intensiven Augenkontakt mit ihrem Pfarrer und daher "bekommt man direkt mit, was Menschen denken und fühlen". Gerade "die direkte Arbeit mit den Menschen" macht die Aufgabe für Volker Emler so "spannend und interessant". "Die Gebärdensprache macht es schwierig sich zu verstellen," erklärt der Pfarrer. Natürlich ist die Arbeit mit Gehörlosen zeitintensiv, denn "mal eben per Telefon zu sprechen ist nicht möglich".

Bei der Übertragung der Bibeltexte in Gebärden achtet Emler besonders darauf, "dass visuell was rüberkommt", das heißt, Körpersprache, Mimik und Gestik sowie der Raum, in dem man agiert, müssen aufeinander abgestimmt werden.

Der erste Pfarrer der Gemeinde, Karl Rüter, hielt am 29. September 1907 in der ehemaligen Pauluskirche den ersten evangelischen Taubstummengottesdienst. Heute - 100 Jahre später - predigt Volker Emler jeden ersten Sonntag im Monat um 15 Uhr in der Lukaskirche, Planckstr. 113.