Das Herold-Haus am Kennedyplatz ist ein Stück Vorzeige-Architektur der Fünfziger Jahre.Das Gebäude steht schon seit 2001 leer, und Schuld daran ist wohl auch der 11. September
GEISTERHÄUSER (7) LEERE GEBÄUDE - UND WAS AUS IHNEN WIRD Das Haus war leer, doch sie heizten weiter. Damit sich an den Wänden kein Schimmel bildet. "Aber damit", sagt der Hausmeister, "ist jetzt auch Schluss. Und Wasser gibt es auch nicht mehr."
Es gab mal einen Rohrbruch. Deshalb drehten sie den Hahn ab. Und im Dach riss eine Fuge. Das Wasser sickerte in die Wände im fünften Stock. Jetzt ist er doch da, der Schimmel. Auf der Rauhfasertapete blüht weißer Flaum.
Ob das Herold-Haus eine Zukunft hat, weiß im Moment niemand. "Herold" heißt das Haus, weil es ein Versicherungskonzern bauen ließ, 1954 bis 55 war das. Früher standen Neonbuchstaben auf dem Dach: "Deutscher Herold Versicherungen".
"Die Lichtreklame ist auf die Architektur abgestimmt", lobte noch 1994 der Architektur-Experte Joachim Petsch in seiner Dokumentation "Bestand qualitätvoller Bauten aus den Fünfziger Jahren in Essen". Lobende Erwähnung finden vor allem die "massive Betonung der Kanten", die Rasterfassade mit ihren Muschelkalkplatten, und, natürlich, das imposant geschwungene Treppenhaus im Innern.
"Wir halten das Haus unbedingt für schützenswert", sagt Petra Beckers, Leiterin des Denkmalamtes. Man befinde sich in Sachen Unterschutzstellung "im Verfahren". Besonders schön sind auch die Eingangstüren auf jeder Etage - mit Alubeschlägen und Drahtglas, typisch im Stil der Fünfziger. "Es gab immer mal wieder Anfragen von Filmteams, die hier drehen wollten", sagt Uwe Rüttgers, der Hausmeister. "Aber das wurde immer abgelehnt."
Zunächst nutzte die Versicherung das Haus, dann zog 1968 das Sozialamt ein. Das sieht man: An den Türen sind noch Schilder. Und viele Aufkleber: "Essener Aktion gegen Ausländerfeindlichkeit". Als die Zahl der Asylbewerber wuchs, erinnern sich manche, standen die Flüchtlinge mit ihren Koffern im Treppenhaus Schlange, wurden vom Herold-Haus aus in die umliegenden Heime transportiert.
2001 zog das Sozialamt aus. Heute hat es seinen Sitz in der Steubenstraße. Manche erzählen sich, ein US-Investor habe sofort Interesse am Gebäude gehabt. Doch dann kam der 11. September.
Das Versicherungsunternehmen "Zurich", zu dem Herold heute gehört, teilt mit, dass derzeit "verschiedene Planungen und Überlegungen" angestellt würden zur Sanierung und Modernisierung. Klingt nicht so, als ob sich hier bald etwas ändern würde.Mit dem heutigen Tag wird die Serie in loser Folge fortgesetzt. Die Vielzahl der Leserzuschriften mit Tipps und Hinweisen hat uns dazu bewegt. Ende letzten Jahres hatten wir bereits sechs markante Geisterhäuser vorgestellt.