In seinem Museum an der Rüttenscheider Straße erklärt Henning Christoph den Voodoo-Glauben.Götter müssen schon morgens friedlich gestimmt werden

SERIE MITMENSCHEN Im afrikanischen Staat Benin feiern die Menschen heute, am 10. Januar, nicht nur die Befreiung vom Sozialismus, sondern auch ihre Religion, nämlich den Voodoo-Glauben. Auf der Rüttenscheider Straße, zwischen Kebab-Bude und Versicherungsfiliale, erklärt Henning Christoph in seinem Soul of Africa Museum (SOAM) diese fremde Religion.

"Voodoo ist viel mehr als eine Religion, es ist eine sehr komplexe Lebensweise", erklärt Christoph, der Kurator des Museums. Schon morgens geht es für die Gläubigen mit den Opfergaben los: Der Gott Papa Legba, jüngster Sohn der höchsten Götter Mawo (Mondgöttin) und Lisa (Sonnengott), kann einem den Tag ganz schön vermiesen, wenn er nicht zuvor friedlich gestimmt wurde. "In jedem Dorfzentrum in Benin steht meistens eine Legba-Statue. Die Menschen begießen sie mit Essen und Trinken oder legen etwas zu ihren Füßen, damit Legba die Wege frei macht", so Christoph. Weil er ein gieriger und unberechenbarer Gott ist, wird Legba reich mit Opfern bedacht. Auch die Statue im SOAM weist eine ordentliche Patina auf.

Im Voodoo gibt es unzählige weitere Götter, Opferrituale finden mehrmals am Tag statt, auch die Zeremonien kosten viel Zeit. Wenn ein Dorfbewohner krank wird und einen der hiesigen Priester aufsucht, ist oft das ganze Dorf an der Heilungszeremonie beteiligt. "Der Priester liest aus dem Orakel Ursache und Therapie der Krankheit ab. Alle Dorfbewohner nehmen daran teil, einige befinden sich sogar in Trance und geben so dem Kranken Kraft", führt der Kurator aus.

Der Trancezustand hat eine wichtige Funktion und wird von jedem Gläubigen angestrebt, weil er so in Kontakt zu den Göttern tritt: Die Seele verlässt kurzfristig den Körper und ein Gott steigt dafür hinein. Er benutzt den Menschen als Medium für seine Botschaften. Christoph ist als Ethnologe, Journalist und Fotograf regelmäßig in Benin und hat schon viel Kurioses erlebt. Bei einem Begräbnis stach sich ein junger Mann in Trance ein rostiges Messer quer durch den Kopf. Etwas später wurde es entfernt, die Wunden mit Pflanzenpaste bestrichen. "Eine Stunde danach habe ich ein Interview mit ihm geführt. Er hat geplaudert, als wäre nichts gewesen", erinnert sich Christoph.

"Wir können uns so etwas nicht vorstellen, weil wir in unserem westlichen Kulturkreis für alles eine Erklärung brauchen", beschreibt der Ethnologe das Problem im Umgang mit solchen Phänomenen. "Jeder Glaube ist richtig dort, wo er entstanden ist. Bei uns würde Voodoo nicht funktionieren." Andersherum sei es ebenso unsinnig, afrikanischen Staaten westliche Sitten aufzuzwingen.

Ein bisschen Voodoo-Praxis gibt es aber auch in Essen. Jeden Samstag kommt ein Student aus Benin ins SOAM und tritt mit seinem Lottoschein vor den Altar der Wassergöttin Mami Wata. Aus einer Schale vom Opfertisch zieht er die Zahlen, klemmt den Lottoschein an eine Wassergeist-Statue und stellt Mami Wata eine Flasche Limo hin, die ist beliebt in Benin. "Er gewinnt zwar nie große Beträge, dafür aber ziemlich oft", schmunzelt Christoph.

Rüttenscheider Straße 36, www.soul-of-africa.com, Tel: 78 24 48, Öffnungszeiten: Do., Sa., So. 14 bis 18 Uhr, Fr. 18 bis 22 Uhr Henning Christoph war lange freischaffend für die Zeitschrift "GEO" tätig und erhielt für seine Reportagen sechsmal den World Press Preis. Benin ist seine "zweite Heimat". In diesem Jahr eröffnete er dort eine Naturheil-Klinik, um den Menschen eine erschwingliche medizinische Versorgung zu bieten und das Wissen der Naturmedizin festzuhalten. Derzeit plant er Ausstellungs-Projekte in Los Angeles und Dresden. Sein Museum wird voraussichtlich im Mai 2008 um einen Raum erweitert. Christoph wird dort einen schwer zugänglichen Stamm aus Kamerun vorstellen.