Krupp-Stipendiaten sammelten erste Berufserfahrungen im Ausland.Berthold Beitz empfing die Schüler nach ihrer Rückkehr in der Villa Hügel

Vietnam?! - "Geschockt" war Melanie Giannio-Heß (18), als ihre Mutter den Brief von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung vorlas. Die Gymnasiastin hatte sich um ein Stipendium für ein Praktikum im Ausland beworben. Jetzt stand fest: Die 18-Jährige würde nach Asien gehen.


"Der Schock hat sich aber schnell zu Freude entwickelt", so Melanie. Sie wollte einfach mal weg, auf sich allein gestellt sein. "Klar hatte ich auch Heimweh, aber das gehört dazu." Vier Wochen verbrachte sie in der Hauptstadt Hanoi. Dort arbeitete sie beim "TYM Fund", ein Projekt, das Frauen Mikrokredite gibt. Land und Leute sind ihr ans Herz gewachsen: "Wenn ich das Geld habe, fahre ich wieder hin - dann durch ganz Vietnam."


Wie Melanie machten auch 50 andere Essener Schüler im März und April ein Praktikum im Ausland. Jetzt empfing sie Berthold Beitz, der Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, in der Villa Hügel. "Auslandserfahrungen gehören heute zu den Qualifikationen, die für Erfolg in der Ausbildung und im späteren Beruf von großer Bedeutung sind", so der 94-Jährige.


Ganz überrascht war Michaela Heiderich, als Professor Beitz ihr nachträglich ein Geschenk zu ihrem 18. Geburtstag überreichte. "Ich wollte eigentlich schon in der 11.Klasse ins Ausland, das kostet aber sehr viel Geld." Das Stipendium der Krupp-Stiftung führte sie nun nach Mailand. Dort lernte sie den Alltag in der Deutsch-Italienischen Handelskammer kennen. "Ganz viele bekannte Firmen sind dort Mitglied, und ich konnte Einsicht in die Daten nehmen." Richtig wohl fühlte sie sich aber erst, als sie nach einigen Tagen bei einer Gastfamilie unterkam. Selbstbewusster sei sie durch das Praktikum geworden. In welches Land es sie verschlägt, entscheiden die Stipendiaten nicht selbst. Die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft organisiert die Stellen und betreut die Schüler.


Dass in Finnland das Essen zu wenig gewürzt ist und wie es sich anfühlt, bis zum Knie in Schnee zu stecken, hat Alexander Baum (15) erfahren. Der Marienschüler half dort in einer deutschsprachigen Kindergartengruppe. Etwas schade für den Jungen: Dies war sein zweites Praktikum in einem Kindergarten. Aber Alexander hat dazugelernt: "Ich musste die Eltern einschätzen und habe jetzt eine gute Menschenkenntnis. Das kann hilfreich sein im späteren Leben."Seit 1998 nahmen 533 Jugendliche an dem Programm "Alfried Krupp-Schülerstipendien für Betriebspraktika im Ausland" teil. Neunt- und Zwölftklässler aller Schulformen können sich bewerben. Die Stipendiaten werden mit 1600 Euro unterstützt. Zu Beginn des Programms lagen die Ziele noch ausschließlich in Europa. In diesem Jahr lernten die Schüler China, die Philippinen, Bulgarien, Teneriffa, die Türkei, Ungarn, Polen, Schweiz, Slowakei, Belgien, Griechenland, Großbritannien und Österreich kennen.