Eltern bemühen immer öfter Juristen, um den Schul-Erfolg ihrer Kinder notfalls herbeizuklagen. Das macht Pädagogen das Leben schwer - und versetzt andere Eltern in Angst, wie ein aktueller Fall an der Viktoriaschule zeigt

Eltern einer achten Klasse des Viktoria-Gymnasiums (Südostviertel) haben Angst um das Leben ihrer Kinder. Die Schulpflegschaft kümmert sich, der Schulleiter ist informiert - doch ausrichten können alle zurzeit wenig. "Man hat das Gefühl, es passiert nichts, und das ist beunruhigend", sagt die Mutter eines 13-jährigen Mädchens.

Am 14. April hatte ein Schüler (15) kurz vor Unterrichtsbeginn eine Glasflasche mit Quecksilber aus dem Naturkunde-Unterrichtsraum unbemerkt entwendet. Augenzeugen schildern, dass der Lehrer nur einen kurzen Moment im Hinterzimmer verschwunden gewesen sein soll. Schon das Einatmen der Dämpfe kann tödlich sein. Der Junge steckte die Dose in seine Tasche, später fuhr er damit im Bus nach Hause. Die Polizei startete eine Such-Aktion und stellte den Täter am Abend desselben Tages zu Hause. Die Flasche war im Wäscheschrank Hätte der Junge sie einmal geöffnet, wäre ein Unglück wahrscheinlich gewesen.

Der Schüler kam erst im vergangenen Jahr vom Humann-Gymnasium zur Viktoriaschule. Seitdem hatte er mehrfach auf sich aufmerksam gemacht - eine Rauchbombe in der Pausenhalle gezündet und Reizgas mit in die Schule gebracht. Nach dem Quecksilber-Vorfall wurde beschlossen: Der Junge fliegt.

Doch er ist immer noch da. Die Schulpflegschaftsvorsitzende Iris Strasdat berichtet: "Die Eltern des Jungen haben Klage eingereicht gegen den Beschluss, dass ihr Kind von der Schule fliegen soll. So lange das nicht enschieden ist, darf der Junge weiter zur Schule." Das bringt die Eltern der anderen Schüler in Aufruhr: "Wer weiß, wann wieder etwas passiert und das Leben unserer Kinder erneut gefährdet ist", heißt es.

Jetzt muss die Düsseldorfer Bezirksregierung entscheiden. "Das passiert nicht vor den Sommerferien", befürchtet Hans Schippmann, der Schulleiter. Deshalb haben die Elternvertreter in der vergangenen Woche einen Brief an Düsseldorf geschrieben - mit der dringenden Bitte, den Fall schnell zu entscheiden.

Die Aussichten auf Erfolg sind klein: Denn die Zahl der Klage- oder offiziellen Beschwerdefälle von Eltern, die ihr Kind an ein Essener Gymnasium schicken, steigt stetig. Mal geht es um Noten, mal um nicht erfolgte Versetzungen - und mal um grobe Vergehen, wie im vorliegenden Fall. Die Bezirksregierung hatte im Schuljahr 2005/2006 noch 27 Fälle registiert, im folgenden Jahr waren es bereits 54. Diese Zahl ist fürs laufende Schuljahr bereits erreicht, doch das Schuljahr noch nicht zu Ende.