Beatrix und Albert Classen führen den ältesten Goldschmiedebetrieb der Innung: Gestern wurde er 75.Einst wurde hier die Goldene Madonna repariert, heute schmieden sie den Ehrenring der Stadt

Schöne, solide Technik: Beatrix und Albert Classen ziehen auf dieser Maschine Drähte lang und dünn. Foto: WAZ, Armin Thiemer
Schöne, solide Technik: Beatrix und Albert Classen ziehen auf dieser Maschine Drähte lang und dünn. Foto: WAZ, Armin Thiemer © Armin Thiemer

SERIE MITMENSCHEN Wer kann schon von sich sagen, die Goldene Madonna am Tisch gehabt zu haben? Albert Classen zum Beispiel. Sein Vater und er haben nach dem Krieg den Münsterschatz in ihrer Werkstatt restauriert. "Heute wäre sowas gar nicht mehr möglich", sagt der Goldschmied, "allein aus Sicherheitsgründen": Der Wert der mehr als 1000 Jahre alten Dane wird geschätzt auf 100 Millionen Euro.

Mit Schätzen und geschätzten Dingen haben die Classens Erfahrung. Albert und Beatrix Classen betreiben den inzwischen ältesten Betrieb der Essener Goldschmiedeinnung, gestern war das 75-Jährige. 1933 eröffnet Albert Classen Senior seine Goldschmiedewerkstatt mit einem Ladenlokal in Holsterhausen. Im Krieg wurde der Betrieb ausgebombt, Classen machte zuhause weiter. 1948 machte er seine Werkstatt im Haus der Technik (damals noch an der Bahnhofstraße) neu auf. Seitdem haben die Classens dem Gebäude die Treue gehalten und sind inzwischen die ältesten Mieter des Hauses.

1953 beendete Albert Junior die Lehre im väterlichen Betrieb mit dem Prädikat "Bundessieger". Das brachte ihm ein Stipendium an der Fachschule ein, wo er sein Meisterstück machte und danach im Betrieb des Vaters einstieg. 1959 kam seine spätere Frau Beatrix als Auszubildende in den Betrieb. Sie hatte an der Fachhochschule Pforzheim Design studiert und trat in den Familienbetrieb mit dem Vorsatz ein, dem Schmuck eine moderne Optik zu verpassen. In den 60ern? Als Frau? In einem Männerberuf? "Ach, das hat sich relativ schnell durchgesetzt", sagt Beatrix Classen. "Und heute..." Sie zeigt in die Werkstatt, dann in den Laden. Tatsächlich: überall Frauen. An den Vitrinen ebenso wie an den Werkzeugen.

Kirchenschmuck, einst ein Kerngeschäft, sei in den Hintergrund getreten. Heute schmieden die Classens Einzelstücke für Privatkunden. "Wir machen alles selbst", sagt die Chefin. "Und wir machen ungern Stücke mehrmals. Man will ja immer etwas Neues schaffen. Wenn ein Kunde unbedingt eine unserer Broschen nochmal haben will, dann versuchen wir ihn zu überzeugen, stattdessen passende Ohrringe in Auftrag zu geben." Außerdem fertigen Classens die Ehrenringe der Stadt Essen und Bottrops. Als die Stadtverwaltung mal auf die Idee kam, nach anderen Goldschmieden für den Ring zu suchen, haben sie sich die Rechte am Ring schützen lassen. "Schließlich haben wir ihn geschaffen", sagt die Chefin.

In der Werkstatt stehen noch Erzeugnisse deutscher Werkzeugschmiedekunst. Natürlich rotieren hier auch Motoren. Doch mechanische Bearbeitung ist den Classens lieber. Deshalb laden sie gute Kunden in die Werkstatt ein. Um zu zeigen, dass Schmuck manchmal auch ein Produkt von viel Kraftaufwand ist.Die höchste Auszeichnung der Stadt wird seit 1961 vergeben. Berthold Beitz bekam seinen schon 1963. Weitere Träger sind unter anderem Gustav Heinemann, Oberbürgermeister und späterer Bundespräsident, Franz Kardinal Hengsbach, der erste Ruhrbischof, und seit 2003 Peter Reuschenbach, der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt.