Über 3500 Beschäftigte folgten dem Verdi-Aufruf zur Warnstreik-Kundgebung.Bsirske: "Top-Manager haben Kontakt zur Lebenswirklichkeit vieler Arbeitnehmer verloren"

An der Kundgebungs-Bühne las man einen Slogan der Verdi-Jugend: "You'll never strike alone". Das ließen sich gestern Mittag die Beschäftigten des Einzelhandels nicht zweimal sagen: Über 3500 kamen zur zentralen Warnstreik-Demo auf den Willy-Brandt-Platz, darunter Arbeitnehmer aus dem bayerischen Großost-heim und aus Mainz.

Die Stimmung schwankte zwischen Gereiztheit und Selbstbewusstsein. Seit nunmehr zwölf Monaten im Tarifstreit, stimmten sich die Demonstranten auch kalendarisch auf die Hängepartie mit den Arbeitgebern ein. "Wir lassen uns keine faulen Eier ins Nest legen" und "Ostern steht vor der Tür - wir auch" war auf Transparenten zu lesen.

Der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Bsirske sprach von einer "beispiellosen Auseinandersetzung". 180 000 Beschäftigte hätten sich bislang an den Warnstreiks beteiligt, allein 30 000 in der Karwoche. Die Beschäftigten des Einzelhandels hätten harte Jahre des Reallohnverlustes und der Arbeitsverdichtung hinter sich: "Deshalb heißt unsere Losung jetzt: " Gute Leute, gute Arbeit, gutes Geld."

Bsirske schlug harte Töne an. Deutschen Top-Managern warf er vor, in einer parallelen Scheinwelt zu leben: "Sie haben den Kontakt zur Lebenswirklichkeit von Millionen Arbeitnehmern verloren. Wir müssen diese Herren mit der Wirklichkeit konfrontieren." Unter den 50 reichsten Deutschen befänden sich 19 Händler, die millionenschwere Privatvermögen angehäuft hätten. Auf der anderen Seite wüssten viele Arbeitnehmer nicht mehr, wie sie mit Preissteigerungen von deutlich über drei Prozent fertig werden sollten. Bsirske wie auch weitere Verdi-Sprecher forderten eine spürbare Lohnerhöhung, die Beibehaltung der Spät- und Nachtzuschläge sowie mehr Sicherheit am Arbeitsplatz. Dass einige Handelsketten den Beschäftigten drei Prozent mehr Lohn angeboten haben, hielt er für "Beruhigungspillen".

Verdi-Bezirksvorsitzender Manfred Wirsch mit Blick auf das neue Einkaufszentrum: "Außen hui, innen pfui - so geht das im Einzelhandel nicht weiter." Es gehe auch um ein Mindesteinkommen von 1500 Euro. Die NRW-Verhandlungsführerin Liselotte Hinz schloss gemeinsame Streikaktionen mit dem öffentlichen Dienst nicht aus: "Wer sich wehrt, kann verlieren. Wer sich nicht wehrt, hat schon verloren." Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Kaufhofs, Klaus Bruns, meinte zur Hiobsbotschaft, dass Metro Kaufhof abstoßen wolle: "Die Zeichen stehen nicht schlecht, dass es einen vernünftigen Übernehmer geben könnte."Heftige Kritik übten Verdi-Sprecher an einer in der WAZ wiedergegebenen Äußerung des Einzelhandels-Geschäftsführers Heribert Jöris, die Spät- und Nachtzuschläge seien "eine völlig überholte Regelung aus den 50er Jahren". Diese seien tatsächlich 1996 durchgesetzt worden: "Die Arbeitgeber kennen ihre eigenen Verträge nicht."