Die neue Choreographie von Christine Brunel wurde im Maschinenhaus uraufgeführt. "Speed" ist ein Plädoyer für die Langsamkeit
Langsam, fast meditativ, mit sich wiederholenden Schrittmustern bewegt sich Christine Brunel auf dem weißen Bühnenboden im Maschinenhaus der Zeche Carl. Da klingt der Titel ihrer jüngsten Choreografie "Speed" wie Ironie. Nur gelegentlich blitzen in der Uraufführung des Solos schnelle, fast hastige Bewegungen auf. Diese temporeichen Momente gleichen in ihrem Staccato eher dem Agieren einer Marionette und grenzen sich so deutlich ab von den sonst vielmehr in Zeitlupe ausgeführten Schritten. Brunel tanzt ein Plädoyer für die Langsamkeit; nur wer sich Zeit nimmt, kann genießen.
Brunels Bewegungen sind reduziert, die Tänzerin und Choreografin konzentriert sich wie in den meisten ihrer Arbeiten auf das Erforschen von Zeit und Raum. Diese intensive Auseinandersetzung zeigt sich in jeder Berührung ihres Fußes mit dem Boden, in jeder ihrer kleinen oder weiten Armbewegungen.
Der Komponist und Cellist Scott Roller passt sich in seinem Spiel der bewussten Reduktion an. Sein vielseitiges Repertoire an diesem Abend reicht von langen Bögen über atonale Geräusche bis zu Jazzklängen. Roller zupft und streicht, schnippt mit den Fingern, klopft auf sein Instrument und nutzt auch Steg und Resonanzboden, um Töne zu erzeugen. Manchmal ist es fast unmöglich, sein Spiel vom heftigen Sturm, der am Premierenabend um die alte Industriehalle fegte, zu unterscheiden.
Komplettiert wird "Speed" durch die Einspielung von Versen des amerikanischen Lyrikers Robert Lax. Dieser erzählt in schlichten Worten von so großen Dingen wie der Unbeweglichkeit von Dunkelheit und Stille. In ihrer Vorliebe für die Reduktion scheinen sich Brunel, Roller und Lax gesucht und gefunden zu haben. Die Gedichte haben in ihrer Einfachheit und der minimalistischen Wortwahl auch humoristische Züge und schaffen es, die teils formalistische Choreografie Brunels ein wenig aufzulockern.
Der Uraufführung von "Speed" geht die Inszenierung von "Abdruck" voraus. Christine Brunel bewegt sich hier auf einem etwa zwei Meter breiten grauen Streifen, der im goldenen Schnitt über die weiße Fläche gezogen wurde. Erst mit Schuhen, dann in Socken und später mit bloßen Füßen erkundet sie den Boden unter sich. Sie balanciert wie auf einem Schwebebalken, scheint Fußspuren nachzulaufen und macht sich tänzerisch den Raum zu eigen. Christine Brunel zeichnet an diesem Abend ihren eigenen, mal zerbrechlich, mal kraftvoll wirkenden Abdruck.
"Speed", die jüngste Choreografie von Christine Brunel, ist im Maschinenhaus der Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100, auch am 5., 6., 7. und 8. Dezember jeweils um 20 Uhr zu sehen. Karten: Tel: 837 84 24. Weitere Informationen: www. tanztheater-christine-brunel.de