Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen länger arbeiten.Tun sie doch längst, rechnen Forscher der Uni vor
Am Streit über längere Arbeitszeiten scheiterten gestern die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Eine Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni gießt Öl ins Feuer: "Die von den Arbeitgebern angestrebte Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden ist bereits Realität" sagen die Forscher Angelika Kümmerling und Steffen Lehndorff von der IAQ-Abteilung "Arbeitszeit und Arbeitsorganisation".
Das IAQ hat die aktuellsten verfügbaren Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat ausgewertet. Demnach betrug im Jahre 2006 die geleistete tatsächliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten im deutschen öffentlichen Dienst durchschnittlich 40,2 Wochenstunden. Das bedeutet eine Verlängerung um eine halbe Stunde innerhalb von fünf Jahren. In diesen Zeitraum fielen die Arbeitszeitverlängerungen im öffentlichen Dienst der Bundesländer. Vor diesem Hintergrund geben die IAQ-Forscher zu bedenken: "Bei einer Verlängerung der tarifvertraglichen Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden ist damit zu rechnen, dass die tatsächliche Arbeitszeit auf über 41 Stunden steigt. Da die längeren Arbeitszeiten in die Personalplanung eingearbeitet und in Stellenkürzungen umgesetzt werden, bestehen in der Folge noch weniger Chancen, die in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes wie z.B. den Krankenhäusern aufgelaufenen Überstundenberge abzubauen."
Der öffentliche Dienst in Deutschland hat laut IAQ im Durchschnitt die zweitlängsten tatsächlichen Arbeitszeiten in Westeuropa und liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 39,6 Wochenstunden. Lediglich in Großbritannien und einigen neuen EU-Mitgliedsstaaten wird länger als in Deutschland gearbeitet. Dabei hat sich der Abstand zwischen den Arbeitszeiten in den öffentlichen Diensten Großbritanniens und Deutschlands auf 45 Minuten verringert. ksNach einer Betriebsbefragung der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen haben 60 Prozent der Betriebe im öffentlichen Dienst Deutschlands flexible Arbeitszeiten. Im öffentlichen Dienst der übrigen EU-Länder sowie im Mittel aller Branchen hierzulande sind es 50 Prozent.