Dave Douglas´ Keystone Sextett begeisterte in der Philharmonie.Grandioser Jazz zu alten Stummfilmen mit Buster Keaton
Ganz großes Kino - besser kann man den überwältigenden Auftritt von Dave Douglas´ Keystone Sextet in der von Cineasten wie Jazzfreunden mal wieder sträflich vernachlässigten Philharmonie kaum bezeichnen. Denn was der Trompeter den Zuhörern bei seinem zweiten, mit einigen Stummfilmen angereicherten Konzert als "Artist in Residence" bot, war ebenso extravagant wie überraschend.
Denn wer vom Start weg kommentierende Klänge zu bewegten Bildern erwartet hatte, der musste sich zu seiner Freude erst einmal gedulden. Und wurde dafür von dem 45-jährigen New Yorker mit hinreißend frischen Sounds jenseits aller Konventionen belohnt.
Da loderte Douglas´ Horn über Gene Lakes fabelhaft verqueren Rhythmen, die Brad Jones mit seinem Plastik-Reisebass wunderbar satt anfettete. Kontrastiert in dunklen Farben von Marcus Stricklands erdigem Tenorsax, in die sich Adam Benjamins unerhört aufregende, schwer unkonventionelle Rhodes-Sounds mischten. Farbenfroh dekoriert wurde diese aberwitzige Melange obendrein von DJ Olive, der schon mit Uri Caine alle Ohren in Essen angespitzt hatte und auch diesmal wieder an den Turntables für exotische Würze sorgte.
Als schließlich die ersten Bilder von Fatty Arbuckles "Moonshine" mit Buster Keaton flackerten, da wunderten sich die Stummfilm- und die Jazz-Fans gleichermaßen. Von wegen illustrative Begleitung - frischweg setzte das Keystone Sextet mit druckvollen Sounds in Cinemascope sich selbst in Szene, ohne dabei aber der Leinwand die Show gänzlich zu stehlen.
Betuppt fühlte sich dagegen so mancher Zuhörer um eine solide Informationen zum Geschehen. Hatte die Philharmonie, die sonst mit opulenten Programmheften ihre Gäste verwöhnt, doch diesmal am falschen Ende gespart und auf eine qualifizierte Einführung verzichtet. Weshalb Fatty Arbuckle für die meisten ein böhmisches Dorf geblieben wäre, hätte nicht Dave Douglas alle Filme, wie etwa die Hunde-Komödie "Fatty´s Plucky Pup", in warmen Worten vorgestellt.
Nach gut 80 Minuten schwarzweißen Leinwandgeflackers und farbenfroher Klangbilder voll überbordender Expressivität war man von der Intensität des Dave Douglas Keystone Sextet jedenfalls geradezu berauscht. Und freute sich über ein grandioses Konzerterlebnis, das schon jetzt zu den Höhepunkten des Jahres zählen dürfte.