Schwurgericht eröffnet Prozess um den Dilldorf-Mord. 21-Jähriger gesteht, die 19-Jährige erstochen zu haben, mit der er über seinen Liebeskummer hatte reden wollen.

Foto: WAZ, Armin Thiemer Kevin M. mit seinem Verteidiger Siegmund Benecken vor dem Schwurgericht. Foto: WAZ, Arnold Rennemeyer
Foto: WAZ, Armin Thiemer Kevin M. mit seinem Verteidiger Siegmund Benecken vor dem Schwurgericht. Foto: WAZ, Arnold Rennemeyer © WAZ

Es ist zu viel. Als der beisitzende Richter Lars Theissen die Tatwaffe, ein riesiges Fleischmesser mit Blutanhaftungen, hoch hält, verlieren die Eltern der ermordeten, nur 19 Jahre alt gewordenen Sarah L. die Fassung. Die Mutter weint, der Vater haut auf den Tisch im Schwurgerichtssaal und stößt lautlos Worte in Richtung des Angeklagten Kevin M. aus. Nur die Lippen bewegt er.

Sekunden waren es, in denen Kevin M. in der Nacht zum 17. Juli Leben zerstörte. Sein eigenes, das der Eltern der jungen Frau. Und, nie wiedergutzumachen: das der Sarah L. Mitten in der Nacht war die Abiturientin auf seine Bitte von Holsterhausen nach Kupferdreh gefahren, um ihrem Bekannten Kevin M. zu helfen. Über Liebeskummer hatte der 21 Jahre alte Rekrut, ein gelernter Koch, am Telefon geklagt. Denn seine Freundin hatte Schluss mit ihm gemacht. Sarah L. kam, hörte zu. Doch sie wählte die für ihn falschen Worte, um ihm das Ende der Beziehung zu erleichtern: "Gott sei Dank, endlich ist die Dicke weg." Da stach er zu. 49 Stichverletzungen erlitt Sarah L., verblutete am Tatort auf der Dilldorfer Höhe.

Mit knappen Sätzen beschreibt Staatsanwältin Elke Hinterberg in der Anklage die Tat. Sie beruht vor allem auf Angaben des Angeklagten, der schon bei der Festnahme eine Stunde nach der Tat von einer Provokation durch Sarah L. gesprochen hatte. "Er war apathisch und weinerlich. Er sagte, das alles habe er nicht gewollt", erinnert sich eine 23 Jahre alte Polizistin. "Er bereut, die Strafe hier interessiert ihn nicht", sagt Verteidiger Siegmund Benecken. Die ganze Nacht vor dem Prozess, so der Anwalt, habe Kevin M. nicht geschlafen: "Er wird mit der Situation nicht fertig. Das Opfer war ein ganz tolles Mädchen. Sie hatte ihm nichts getan. Er wird nicht damit fertig, dass sie durch ihn umkam."

Es ist eine Tat, deren Sinn sich nicht erschließt. Kevin M., der offenbar gern über seine eigene Seelenwelt redet, hatte in einer Abiturientin aus dem Südostviertel die große Liebe gefunden. "Sie war dominant, führte mich", erzählt er. Aber er kontrollierte sie, las wohl unerkannt mit, was sie in Chatrooms schrieb. Nach zwei Jahren machte sie im Juli Schluss. Er weinte, bettelte. Sie blieb hart. "Benimm Dich wie ein Mann", sagte sie ihm. Doch er schrieb ihr. Er brauche sie, steht im Brief, und es dreht sich fast alles um ihn.

In der Tatnacht gibt es heftigen SMS- und Handy-Kontakt: Kevin M. tritt mal mit der Ex in Verbindung, mal mit Sarah L. Er bestreitet, dass er um 1.11 Uhr mit der früheren Freundin telefonierte, als Sarah L. neben ihm saß. Die Uhrzeit legt es nahe, bemerkt Richter Andreas Labentz. Kevin M. gesteht die Tat, aber es gibt offene Fragen. Etwa, warum Kevin M. im Dilldorfer Elternhaus vier Messer in den Rucksack packt, bevor er zum späteren Tatort geht. Aber dazu, signalisiert Anwalt Benecken, äußert er sich nicht.