Die "Schola Cantorum Werdinensis" ist einzigartig im Bistum und blickt auf eine 1200-jährige Geschichte zurück.Die neun Mitglieder pflegen die Gregorianischen Gesänge. Aber Nachwuchs ist rar
SERIE MITMENSCHENDer Ort Heiligenkreuz in Österreich hat mit Werden etwas gemeinsam: die Gregorianische Chormusik. Die Zisterzienser-Mönche des Heiligenkreuz-Stiftes besangen eine CD und eroberten damit ein für sie bislang reichlich unbekanntes Terrain: Die Gregorianischen Gesänge wurden a priori Nummer Eins in der Hitparade.
In Werden gönnt man es ihnen. Doch hört man die Meinung: "Unsere Schola Cantorum Werdinensis singt genau so gut, vielleicht noch besser, denn wir in Werden haben in puncto Gregorianik eine 1200-jährige Erfahrung." Man kann es derzeit sogar an der Folkwang Hochschule in einem Sommerkurs lernen.
Klaus Ohm, Sprecher der Schola und ehemals Absolvent eines Prädikats-Examens in Kirchenmusik, weist jedes Konkurrenzdenken zurück: "In Österreich wie in Werden singt man den Gregorianischen Choral als feierliche Liturgieform." Der hl. Ludgerus gründete 799 in Werden ein Benediktinerkloster, das sich bald zum geistlichen und geistigen Zentrum entwickelte. Es gehörte zu den fünf bedeutenden Klöstern in dem Raum, der heute Europa heißt. Unter Papst Gregor (560-604) war eine Sammlung von einstimmigen, unbegleiteten Singeweisen entstanden, die vom hl. Benedikt verbreitet und von Kaiser Karl dem Großen später als einheitliche Form des Gottesdienstes gefördert wurden. Ludgerus, Freund des Kaisers, übernahm diese in lateinischer Sprache gesungene Choralmesse. Sie wurde von den Werdener Mönchen 1000 Jahre zelebriert - bis 1803, als Napoleon diese Musik verbot und das Kloster schloss.
Nun waren die Werdener nie Freunde von Verboten; sie pflegten diesen Chorgesang weiter, und 1877 rief der Tuchfabrikant Mathias Wiese den Kirchenchor St. Ludgerus ins Leben, der nun ganz offiziell an Festtagen die Gregorianischen Choräle sang.
Kurz nach dem zweiten Weltkrieg scharte Kantor Walter Kämpfer ein paar Leute um sich und bildete mit ihnen die Choralschola. Zu ihnen gehörte auch Klaus Ohm. Die Zeit der Mönche war in Werden nun Geschichte. Die Kantoren wechselten: Kämpfer wurde von Hugo Berger abgelöst, der den einstimmigen Gesang mit Orgelmusik unterlegte. In den 70er Jahren übernahm Kantor Heribert Seiffert die weiteren Aufgaben und legte Choralbücher an, mit korrekt übertragenen Neumen des Mittelalters (eine Art von Notenzeichen). Die benediktinische Tradition hatte überlebt.
Heute wird die Schola von Kantor Andreas Kempin ge-leitet und singt sonntags im Hochamt in der Basilika. Alle drei Wochen treffen sie sich zu Proben - waren zunächst elf, jetzt noch neun. Ohm: "Die beiden haben wir durch Krankheit und Tod verloren. Nachwuchs ist ziemlich rar." Obwohl keiner das Latinum von zuhause mitbringen muss.
Die Schola ist die einzige im Bistum und weithin beliebt. Viele Besucher kommen von auswärts. "Sakral-Touristen", sagen die Werdener. Ohm: "Wir sind kein Gesangverein, keine Dom-Kosaken, keiner ist Solist und wir gehen nicht auf Tournee." Sie tragen in der Messe einheitliche weiße Kutten, von Käthe Püttmann entworfen und vom Werdener Paramenten-Verein genäht.
2009 ist ein Ludgerus-Jubiläumsjahr, die Schola Cantorum Werdinensis ist darin etwas ganz Besonderes.