Während die klirrende Kälte für rekordverdächtige Minustemperaturen sorgt, ist die Bahnhofsmission ein warmer Zufluchtsort.Obdachlose schlürfen heißen Tee und die Reisehelfer machen Pause vom Dienst auf den eisigen Bahnsteigen

Da geht´s lang. Angelika Kleinfeldt (li.) und Sybille Hase weisen einem Reisenden den Weg. Die beiden gehören zum Projekt Reisehelfer: 14 ehemalige Langzeitarbeitslose sind dafür bei der Bahnhofsmission angestellt. Foto: WAZ, BuchholzVor der tristen Fassade seiner Bahnhofsmission: Leiter Markus Siebert. Foto: WAZ, Walter Buchholz
Da geht´s lang. Angelika Kleinfeldt (li.) und Sybille Hase weisen einem Reisenden den Weg. Die beiden gehören zum Projekt Reisehelfer: 14 ehemalige Langzeitarbeitslose sind dafür bei der Bahnhofsmission angestellt. Foto: WAZ, BuchholzVor der tristen Fassade seiner Bahnhofsmission: Leiter Markus Siebert. Foto: WAZ, Walter Buchholz © WAZ

Schmucklos wirkt er, der graue Baucontainer, in dem die Bahnhofsmission derzeit untergebracht ist. Hinter der kargen Fassade verbirgt sich jedoch eine warmherzige Oase: Hier können sich Wohnungslose bei einer Tasse Tee die tiefgefrorenen Glieder aufwärmen. Von hier aus ziehen die Reisehelfer los, um die Fahrgäste durch das Baustellen-Labyrinth zu lotsen oder alten Damen die schwere Tasche die Treppen hinaufzutragen.

Auf einer Couch im Aufenthaltsraum hockt Martin P.* . Der 36-Jährige schlürft einen Heißgetränk und starrt in die Leere. "Der Wintereinbruch kam urplötzlich, darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet", erzählt er. Seit vier Wochen nächtigt der Heroinabhängige an der Notschlafstelle an der Hoffnungsstraße, plötzlich musste er sich auch überlegen, wie er die kalten Tagesstunden überbrücken kann. Nach dem Zwiebelprinzip trägt er nun drei T-Shirts, drei Pullis und zwei Jacken übereinander. Um sich zwischen dem "Schnorren" aufzuwärmen, kehrt P. bei einer großen Fastfood-Kette ein oder springt in die S-Bahn. "Dann fahre ich vier- oder fünfmal zwischen Essen und Dortmund hin und her." Regelmäßig schaut er auch in der Bahnhofsmission vorbei. "Unser Ziel ist es aber, die Leute nicht dauerhaft an uns zu binden, sondern deren Probleme zu lösen", betont der Leiter der Bahnhofsmission, Markus Siebert, mit Nachdruck.

Angesichts der rekordverdächtigen Minustemperaturen weisen seine Mitarbeiter ihre Gäste mit Wohnungsproblemen konsequent auf die Notübernachtungsstellen in der Stadt hin. "Draußen übernachten kann tödlich sein", warnt Siebert. Außerdem wird das Bahnhofsgelände abends mehrmals durchkämmt, damit niemand vor Ort schläft.

Die klirrende Kälte macht auch den 14 Reisehelfern zu schaffen, die seit Anfang Oktober täglich stundenlang auf den Bahnsteigen unterwegs sind, um orientierungslosen Fahrgästen weiterzuhelfen. "Man hat ständig kalte Füße, Spaß macht es aber trotzdem", erklärt Angelika Kleinfeldt. Zwischendurch springen die wandelnden Fahrpläne immer mal wieder für ein warmes Getränk in die Bahnhofsmission hinein. "Möglichst viele Koffer schleppen und Taschen tragen, das hilft gegen die Kälte", verrät Sibylle Hase schmunzelnd ihr Geheimrezept. Trotz "Verspätungen ohne Ende" und zahlreichen Ausfällen von Zügen seien die Fahrgäste in den vergangenen Tagen "verhältnismäßig ruhig und locker" gewesen. " Das Chaos war vor den Feiertagen", so Hase. Eine Frage brenne vielen gestrandeten Fahrgästen in den letzten Tagen jedoch auffällig häufig unter den Nägeln: Wo kann ich mich aufwärmen? Die Reisehelfer verweisen dann auf die Wartehäuschen oder die große Bäckerei am Eingang zum Osttunnel.

*Name geändert