Essen. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid sind zu hoch. Die Stadt Essen ist mit ihrem Latein am Ende. Kommen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge?

  • Eine Studie des Frauenhofer-Instituts weckt Zweifel am Sinn und Zweck der Umweltzone Ruhr
  • In Essen zeigt sich: Die Feinstaubwerte sind gesunken, die Werte für Stickstoffdioxid werden aber überschritten
  • Die Umweltzone könne dies nicht lösen. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten erwartet

Sind Umweltzonen nutzlos? Oder drohen gar schärfere Fahrverbote? Während die Stadt Essen und andere Kommunen auf die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge wartet, stellen Wissenschaftler den Sinn der Umweltzone in Frage. So kommt das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme aus Dresden in einer Studie im Auftrag der Industrie- und Handelskammer zu Ulm zu dem Ergebnis, dass Umweltzonen den ihr zugedachten Zweck nicht erfüllen: „Umweltzonen bewirken keine Verbesserung der Luftsituation.“

Beim Blick auf die Messergebnisse der Umweltzone Ruhr lässt sich diese These allerdings nur mit Abstrichen halten. So ist die Feinstaubbelastung seit Einführung der Umweltzone im Jahr sehr wohl rückläufig. An der Gladbecker Straße etwa, einem der Hotspots in Sachen Luftbelastung, wurde der Grenzwert im vergangenen Jahr an 20 Tagen überschritten, 2004 war dies noch an 77 Tagen der Fall. Seitdem geht die Zahl der Überschreitungstage fast kontinuierlich zurück. Zulässig sind maximal 35 so genannte Überschreitungstage. Diese Zahl wird 2016 voraussichtlich an keinem Messpunkt erreicht, und das im dritten Jahr in Folge, heißt es im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. „Die Umweltzone ist ein großer Erfolg“, sagt Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia.

Aber: Die Messungen belegen auch, dass die Belastung durch Stickstoffdioxid wenn überhaupt nur vergleichsweise geringfügig gesunken ist. An der Gladbecker Straße lag der Wert auch 2015 über dem gesetzlich zulässigen Niveau. Gemessen wurden im Jahresdurchschnitt 43 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, erlaubt sind maximal 40. Als Verursacher gelten in erster Linie Dieselfahrzeuge. So stoßen ältere, mit Partikelfiltern nachgerüstete Fahrzeuge zwar weniger Feinstaub aus, dies aber für den Preis eines erhöhten Ausstoßes an Stickstoffdioxid.

Die Forscher am Dresdener Fraunhofer-Institut sprechen von einem Zielkonflikt. Und: Wie der VW-Skandal gezeigt hat, reißen selbst brandneue Dieselfahrzeuge die gesetzlichen Grenzwerte. Die Umweltzone kann diesen Konflikt nicht lösen. „Die Städte sind mir ihrem Latein am Ende“, sagt Umweltdezernentin Simone Raskob. Gefordert sei die Autoindustrie, aber auch der Gesetzgeber, der Dieselkraftstoff geringer besteuert.

In Stuttgart immerhin ist es gelungen, die Stickstoffdioxidwerte zu drücken. Umstritten ist, ob dies der Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 40 zu verdanken ist, das auf besonders stark belasteten Straßen eingeführt wurde, oder ob der Verkehr besser fließt, weil auf der rechten Spur nicht mehr geparkt werden darf. Fakt ist: Dauerstau und Stop-and-go erhöhen den Schadstoffausstoß. Die Stadt Essen prüft deshalb, ob der Verkehr auf der Gladbecker Straße wechselweise über drei Spuren in eine Richtung geführt werden kann – morgens in die Stadt hinein, abends heraus. Aufgrund der zahlreichen Kreuzungen und Ampeln gilt dies jedoch als schwierig.

Experten zufolge wird man die Luftbelastung auch durch solche verkehrslenkende Maßnahmen nicht in den Griff bekommen. Mit Spannung erwartet man deshalb nicht nur in Essen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes. Hintergrund ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen eine Handvoll Städte, darunter auch Essen und Düsseldorf. In erster Instanz war das dortige Verwaltungsgericht zu dem Schluss gekommen, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge so schnell wie möglich auszusprechen seien, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Fahrverbote seien eine Option, sagt Umweltdezernentin Raskob. „Dass dies nicht auf Begeisterung stoßen würde, kann sich jeder ausmalen.“