Essen.. Tränen, Briefe, Erinnerungen: Im Porky-Grill in Essen-Kray verabschieden sich Anette und Lutz Lehmann nach fast 40 Jahren von vielen Stammkunden. Am Samstag ist ihr letzter Tag.

Als Junge kam Christian Backwinkel an der Hand seines Vaters in den Porky-Grill, dann mit dem ersten Taschengeld, später auch mit Mädchen. „Die Freundinnen sind weg, geblieben ist immer der Porky-Grill“, sagt der Krayer (42) wehmütig, denn nun verschwindet diese Konstante aus seinem Leben. Genauso geht es zahllosen Gästen: Anette und Lutz Lehmann hören am Samstag, 29. Oktober, nach fast 40 Jahren auf und übergeben den Grill an Nachfolger.

Die beiden haben in ihrem Imbiss nicht nur Soßen und Knoblauchmayo selbst hergestellt, die Hähnchen knusprig gegrillt und Grünkohl zubereitet, sie haben vor allem die kleine Stube mit Leben und Herzlichkeit gefüllt, erzählen die Menschen, die in diesen Tagen scharenweise herbeiströmen: die junge Familie mit Baby, der Banker in Anzug und Krawatte oder die Seniorin mit dem Rollator. „Voll war es hier immer“, sagt Anette Lehmann, aber das sei nun der Wahnsinn. „Es sind viele, die ihre Kindheit und Jugend mit uns verbracht haben“, weiß die studierte Sozialarbeiterin, die in der Bewährungshilfe gearbeitet hat, bevor sie zu ihrem Mann an den Arbeitsplatz wechselte.

„Schon meine Mutter war als Jugendliche“ im Porky-Grill

15 Stunden haben die beiden nun fast vier Jahrzehnte gemeinsam im Porky-Grill verbracht, haben vorbereitet, gekocht, serviert, gespült und geputzt und sind sie sich nie auf die Nerven gegangen. „Wir waren glücklich hier“, sagt Lutz Lehmann. Die Gäste seien ihre Familie gewesen. Diese verabschieden sich nun mit Blumen, Tränen und Briefen. Einer kommt aus Texas von Marc, der 25 Jahre lang wegen des Hamburgers in den Porky-Grill kam: immer ein Doppeldecker ohne Salatblatt. „Bei Euch beiden hat man sich irgendwie immer Zuhause gefühlt“, schreibt er und lädt sie in Texas auf einen Burger ein. Auch in der Hoffnung, endlich das Geheimrezept ihrer Soße zu erfahren.

In Kray kann Laura Bundel kaum ihre letzte Bestellung aufgeben. Der Kloß in ihrem Hals sei Schuld, sagt die 20-Jährige leise, die jede Woche einen Teller Nuggets gegessen hat: „Schon meine Mutter war als Jugendliche hier.“ Und Christian Backwinkel erzählt, dass sein Vater sogar den Vorgänger des Porky-Grills kannte. Jetzt sitzt Backwinkel hinten in der Ecke mit seinen Freunden am Tisch. Marco Gugliemi (41) lebt inzwischen in Kettwig. Kai Fetgenheuer (39) kommt in der Mittagspause aus seiner Anwaltskanzlei in Rüttenscheid nach Kray.

Schnitzel nie knorpelig, die Pommes nie kalt

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Seit fast 40 Jahren essen sie im Porky-Grill. Immer Hamburger mit Soße und Salat oder Pfefferwurst. Das Schnitzel sei nie knorpelig gewesen, die Pommes nie kalt. Doch erst jetzt werde ihnen so richtig bewusst: „Es ist nicht nur das Essen. Es war mehr als eine Pommesbude“, sagt Kai Fetgenheuer. „Wir sind hier groß geworden, haben viel gelacht und auch Blödsinn gemacht“, erinnern sie sich. Mit 19 etwa („wir hatten etwas Alkohol getrunken“) haben sie sich mit Sonnenbrillen getarnt und die Toilette zu ihrem Geheimtreff gemacht.

Nun wollen sie dem Nachfolger eine Chance geben, das haben sie Lutz und Anette versprochen. Vorausgesetzt, der Neue ändert nichts: nicht die Speisekarte und nicht die Einrichtung mit den dunkelbraunen Holzdielen an der Wand und dem Krimskrams, da sind sich die drei Freunde einig, die nun selbst mit ihren Kindern herkommen.

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. © OH | Unbekannt

Andere hätten ihre Enkel mitgebracht, erzählt Anette Lehmann und erinnert sich an einen 14-Jährigen, der ihr einst seine Freundin mit den Worten vorstellte: „Nicht der Mama sagen.“ Später aßen sie als Ehepaar Pommes. Der Grund für die vielen Stammkunden sei übrigens seine Frau, sagt Lutz Lehmann lächelnd. Selbst im größten Stress hatte sie ein offenes Ohr und einen guten Rat in allen Lebenslagen.

Anette und Lutz Lehmann haben diesen harten Job gern gemacht

Die beiden selbst haben über ihren harten Job nie geklagt, „weil wir ihn gern gemacht haben“, sagt der 70-Jährige, auch wenn die Füße abends mal schmerzten. Viel größer ist jedoch der Abschiedsschmerz. „Ich möchte den letzten Tag genießen, tschüss sagen und abschließen“, sagt Anette Lehmann. Erst dann werde ihr wohl klar: „Das war’s“.

Große Zukunftspläne schmieden die beiden noch nicht. „Ich freue mich auf die Zeit mit meiner Frau“, sagt Lutz Lehmann. „Ein Eis Essen und Luft holen“, wünscht sich Anette Lehmann und verabschiedet gleich den nächsten Gast im Porky-Grill: „Wenn Du wieder Pfefferwurst holst, denk an mich.“

Porky-Grill: Nachfolger übernehmen die Originalrezepte

Auch in den sozialen Netzwerken wie Facebook verabschieden sich die Gäste von ihrem Porky-Grill mit Worten wie: „Pommes Misch-Masch und ein halbes Hähnchen, Doppeldecker mit Käse, Currymayo, Knoblauchmayo – und am schönsten, dass Ihr beide immer da wart: Anette und Lutz. Wir werden Euch sehr vermissen, obwohl wir Euch Euren Ruhestand von Herzen gönnen“.

Im Porky-Grill geht es aber weiter, kündigt Lutz Lehmann an, dem es am Herzen lag, „dass die Speisen bleiben, damit die Leute ihr gewohntes Essen bekommen“.

Nun übernehmen die beiden Köche Christan Rennings und Felipe Cato Alonso den Imbiss, der genauso bleiben solle. „Sie haben 14 Tage mitgekocht, haben Soßen, Grünkohl und Hühnefrikassee zubereitet. Die Rezepte sind übergeben“, sagt der 70-Jährige. Wenn er seinen Porky-Grill am Samstagabend verlässt, will er seine Nachfolger machen lassen: „Wir sind aber am Telefon, wenn was ist.“

Der Porky-Grill an der Krayer Straße 249 ist (außer sonn- und feiertags) öffnet von 12 bis 21 Uhr geöffnet.