Essen. Für eine Fachtagung können sich Lehrer und Sozialarbeiter anmelden, die an einer weiterführenden Schule arbeiten. Was Salafismus mit Nazis verbindet.

  • Experten referieren über Merkmale radikaler Strömungen, und wie man sie erkennt
  • In Gefahr, sich zu radikalisieren, sind vor allem Jugendliche in der Pubertät
  • Entscheidendes Merkmal ist unter anderem die fehlende Anerkennung im echten Leben

130 Tote durch Terror in Paris, die Anschläge sind jetzt fast ein Jahr her. Wenige Tage nach den Taten gab es auch an Essener Schulen Jugendliche, die sich weigerten, an Schweigeminuten für die Opfer teilzunehmen. Vielleicht nur als Provokation, vielleicht aber auch, weil die Schüler wirklich mit der Terror-Organisation „Islamischer Staat“ (IS) sympathisieren.

Was können Lehrer und Schul-Sozialarbeiter tun, wenn im Klassenzimmer klammheimlich eine Radikalisierung stattfindet? Woran erkennt man junge Salafisten oder auch Nazi-Nachwuchs? Mit einer Tagung, die es in dieser Größenordnung so noch nie gab, wollen jetzt die Schulreferate der Evangelische Kirche aus Essen, Mülheim und Oberhausen Antworten finden.

Das Schwarz-Weiß-Denken radikaler Gruppen entlarven

Im Faltzettel, der für die Veranstaltung wirbt, heißt es: „Einer der Attentäter auf den Sikh-Tempel in Essen war erst 16 Jahre alt. Er hätte auch Schüler Ihrer Schule sein können. Vielleicht hatte er Freunde an Ihrer Schule.“

„Das Schwarz-Weiß-Denken radikaler Gruppierungen muss entlarvt werden, das ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft“, sagt Rima Chati-Bijok, die als studierte Islamwissenschaftlerin und Sozialpädagogin für das Kommunale Integrationszentrum (KI) der Stadt arbeitet. „Viele Projekte laufen rein vorbeugend, und regelmäßig höre ich, dass Jugendliche nachher sagen: Gut, dass ich mitgemacht habe, denn vorher habe ich wirklich gedacht, Pierre Vogel hat Recht.“ Der islamische Konvertit Vogel gilt als Lichtgestalt in der Salafisten-Szene.

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Wie sieht gewaltbereiter Salafismus aus? Auch dieser Frage soll am Montag, 14. November, beim Fachtag „Radikalisierung erkennen und abwenden“ nachgegangen werden. Schauplatz der Tagung, zu der sich alle Lehrer und Sozialarbeiter, die an weiterführenden Schulen arbeiten, anmelden können, ist die Gesamtschule Bockmühle in Altendorf. „Radikalisierung verläuft zunächst unauffällig, da haben wir Lehrer kaum Chancen, diese zu erkennen“, sagt Reto Stein, Didaktisscher Leiter der Gesamtschule Bockmühle. „Es kommt auf die Untertöne an, da erhoffen wir uns von dieser Veranstaltung eine Sensibilisierung.“

Experte: Den Jugendlichen geht es vor allem um Anerkennung

Es gibt Vorträge und Reden, auch Experte Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz des Innenministeriums NRW spricht über „Rechtsextremistische Erlebniswelten“. Was alle radikalen Strömungen für Heranwachsende so attraktiv macht, seien: „Vermeintliche Orientierung, Zugehörigkeit, Zusammenhalt“, sagt Pfeiffer. „Den Jugendlichen in der Pubertät geht es zu allererst um Anerkennung. Das macht radikale Gruppen für sie so attraktiv.“ Beim Fachtag stehen auch Aussteiger aus der rechten Szene Rede und Antwort.

Warum engagiert sich die Evangelische Kirche so für dieses Thema? „Das Thema liegt eben in der Luft“, sagt Dietmar Klinke, Schulreferent im Evangelischen Kirchenkreis Essen. „Religionsunterricht soll auch Ort für solcherlei Vorbeugung sein. Anders als an manchen anderen Schulen betrachtet man an der Bockmühle den Religionsunterricht nicht als zu vernachlässigende Größe.“