Essen. Nach dem Tod einer Rentnerin stehen ihr Mann und ihr Sohn vor Gericht. Haben sie der Pflegebedürftigen Hilfe verweigert? 76-Jährige wog nur 29 Kilo.
Es muss ein qualvoller Tod gewesen sein. Vor einem Jahr ist in Essen eine pflegebedürftige Frau an Hunger und Infektionen gestorben. Seit Dienstag stehen ihr Ehemann und ihr Sohn vor Gericht. Sie sollen der 76-Jährigen jegliche Hilfe verweigert haben und sind wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagt.
Der Anblick der völlig abgemagerten Leiche war selbst für den Notarzt ein Schock. "Ich mache diesen Job nicht erst seit gestern", sagte er zum Prozessauftakt vor dem Essener Schwurgericht. "Aber so etwas habe ich noch nicht gesehen." Ein Kripo-Beamter formulierte es sogar noch drastischer. "Ich habe gedacht: Diese Bilder kennst du von Auschwitz. So sah es aus, als sie da lag."
Offene Hautstellen mit Küchenpapier abgedeckt
Bei der Obduktion wurde das Gewicht der Gestorbenen mit gerade noch 29 Kilo notiert - bei einer Größe von 1,57 Metern. Fast der gesamte Körper war wundgelegen, offene Hautstellen mit Küchenpapier abgedeckt. Der Zustand der 76-Jährigen war katastrophal. Sie lag nackt auf einer unbezogenen Matratze. "Es gab keine Pflegemittel und keine Medikamente", berichtete ein Kripo-Beamter.
Laut Anklage litt die Seniorin unter einer schweren Darmerkrankung und unter Wahnvorstellungen. Sie war schwerst pflegebedürftig. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 78-jährige Ehemann und der 47-jährige Sohn die Seniorin einfach sterben ließen. Sie selbst wollen sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen äußern.
Wegen der besonderen Grausamkeit haben die Richter bereits signalisiert, dass auch eine Verurteilung wegen Mordes durch Unterlassen in Betracht kommt. Dann droht beiden lebenslange Haft. Vorerst sind noch zwei Verhandlungstage bis zum 21. Oktober vorgesehen. (dpa)