Essen. . Beim 12. Literatürk Festival kommen nicht nur Autoren aus der Türkei zu Wort. Besondere Brisanz aber verspricht der Besuch des Journalisten Can Dündar

Die deutsch-türkischen Beziehungen sind nicht erst nach der Völkermord-Resolution des Bundestages zu Armenien und dem Streit um Böhmermanns Erdogan-Satire arg ins Trudeln geraten, da fordern die Organisatoren des 12. Literatürk Festivals in Essen mit unverdrossener Zuversicht: „Freundschaft leben“ oder etwas anders geschrieben: „Freund schafft Leben“.

Der Titel ist Programm, wenn das Literaten-Treffen am 24. Oktober startet und bis zum 3. November über ein Dutzend Lesungen an unterschiedlichen Spielorten – von der Stadtbibliothek bis zum Kulturzentrum Grend – bietet; oft zweisprachig, fachkundig moderiert oder begleitet von Musik.

Viele freundschaftliche Handreichungen wird es bei diesem Festival geben, etwa wenn der deutsche Lebenkunst-Philosoph Wilhelm Schmid auf Tanil Bora, seinen Übersetzer und die türkische Stimme der Intelligenzia trifft (3. 11., 20 Uhr, Café Central). Oder der langjährige Bundes-Vorsitzende der Linken, Gregor Gysi, mit der Berliner Journalistin Ebru Tasdemir über Freundschaft spricht. Möglicherweise aber auch über die Feindschaften, die nicht nur im Netz erwachsen, wo „Hate Poetry“-Erfinderin Tasdemir die schlimmsten Auswüchse sammelt (25.10.,19.30 Uhr, Zeche Carl).

Von besonderer Brisanz aber ist die Auftaktveranstaltung des diesjährigen Literatürk Festivals: Der türkische Journalist Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur der vor kurzem mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Zeitung „Cumhuriyet“, liest am 24. Oktober, 20 Uhr, in der Lichtburg aus seinem aktuellen Buch „Lebenslang für die Wahrheit“ (Hoffmann und Campe). Keine der üblichen Neuerscheinungen dieses Bücherherbstes, sondern das sehr persönliche Tagebuch seiner dreimonatigen Untersuchungshaft, die Dündar nach seinen Enthüllungsberichten über mutmaßliche Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an syrische Extremisten antreten musste.

Wohl einzige Lesung in Deutschland

Nach dem niedergeschlagenen Militär-Putsch im Juli ist Dündar zunächst in Deutschland geblieben. Dass er die erste, vielleicht einzige Lesung seines Buches in Essen hält, hängt nach Angaben von Fatma Uzun, neben Semra Uzun-Önder und Grend-Geschäftsführer Johannes Brackmann eine der drei Literatürk-Organisatoren, mit der langjährigen Verbindung Dündars zum Festival zusammen, zu dessen Beirat er inzwischen auch gehört.

Gleichwohl will das Festival nicht nur türkische Literatur mit politischem Einschlag vorstellen, man wolle sich international breiter aufstellen, heißt es seitens der Organisatoren. Zu Wort kommen auch Autoren aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Beispielsweise die Schwedin Lotta Lundberg, die in ihrem Roman „Sternstunde“ über das Schicksal Kleinwüchsiger erzählt (28. 10., 20 Uhr, Rü-Bühne), oder die junge Autorin Zoe Hagen, die das Thema Bulimie bei Schullesungen in der Frida-Levy- und in der Erich-Kästner-Gesamtschule diskutieren will (27./28. 10.).

Sie treffen auf Kenner, Kommentatoren und Anhänger der türkischen Literaturszene. N-TV-Moderator Constantin Schreiber stellt mit „Merhaba Flüchtling! Willkommen in Schland“ einen augenzwinkernden Leitfaden für Einwanderer vor (1.11., 20 Uhr, Grend). Wolfgang Schorlau hat seinen Krimi „Die schützende Hand“ als eine literarische Ermittlung über die NSU-Morde angelegt. Und Frank Schablewski hat die Erfahrungen seines Istanbul-Stipendiums in dem Erzählband „Schwarzbeben“ verarbeitet. (27.10., 20 Uhr, Zentralbibliothek).

Ein Festival und viele Partner

Alle Veranstaltungen des Literatürk Festivals finden in deutscher oder in türkischer Sprache mit deutscher Übersetzung statt. Spielorte sind u. a. das Kulturzentrum Grend, die Zeche Carl, die Buchhandlung Proust, die Rü-Bühne und das Café Central.

Öffentlich gefördert wird das vom Kulturzentrum Grend veranstaltete Festival von der Stadt Essen, dem Land NRW und der Kunststiftung NRW. Der Eintritt liegt zwischen 5 und 8 Euro. Das komplette Programm ist unter www.literatuerk.com zu finden.