Essen. . Schauspielerin Imogen Kogge und Bühnenbildner Tobias Hoheisel inszenieren „Norma“ am Aalto. Das Regie-Team sucht keine Aktualisierung um jeden Preis

Wenn Bellinis „Norma“ auf dem Spielplan steht, dann klingt die Beschreibung dieses Belcanto-Inbegriffs zunächst meist wie eine Herkules-Aufgabe für unerschrockene Opernsängerinnen: Halsbrecherische Koloraturen, enorme Höhen, aber auch eine große dramatische Kraft fordert diese Partie der gallischen Priesterin, Mutter und betrogenen Gattin, die am Ende freiwillig in den Tod geht. Die Liste der großen Primadonnen, die der „Norma“ bislang stimmlichen Glanz verliehen haben, reicht von der legendären Maria Callas bis zu Anna Netrebko, von Edita Gruberova bis zu Cecilia Bartoli. In Essen singt die Partie die Italienerin Katia Pellegrino. „Ein Glücksfall“, sagen Imogen Kogge und Tobias Hoheisel, die Bellinis berühmte Belcanto-Oper am Aalto-Theater auf die Bühne bringen.

Schon seit 2001 sind die prominente deutsche Theater- und Filmschauspielerin, die man von der Berliner Schaubühne, dem Schauspielhaus Bochum und der Krimiserie „Polizeiruf 110“ kennt, und der international gefragte Bühnen- und Kostümbildner ein eingespieltes Regie-Team. Händels „Ariodante“ war der Anfang, seitdem lassen sich die schon seit vielen Jahren befreundeten Künstler mit zeitlichen Unterbrechungen immer wieder mal für eine Opern-Regie gewinnen. Zwei überzeugte Team-Arbeiter, die vor allem der Austausch, die gegenseitige Anregung während der Arbeit begeistert. „Oper funktioniert als Kollektiv. Ich würde das nie alleine machen wollen“, erklärt Hoheisel.

Mit Giacomo Sagripanti am Pult der Essener Philharmoniker wollen sie eine „Norma“ auf die Bühne bringen, die trotz ihrer allgegenwärtigen Geschichte vom Kampf der Kulturen und Religionen und der kritischer Neuedition, die das „Norma“-Fieber in den vergangenen Jahren noch einmal frisch entfacht hat, vor allem eines ist: „Ein großes klassizistisches Drama des 19. Jahrhunderts“, so Hoheisel, kein romantisches Schauerstück.“

Norma, das ist aber auch Liebe, Eifersucht und weiblicher Heroismus. Die heimlich verheiratete Oberpriesterin muss erkennen, dass ihr Geliebter und Vater ihrer Kinder, der römische Prokonsul Pollione, mit einer Jüngeren, der Novizin Adalgisan, durchbrennen will. Zunächst schwört sie Rache, dann aber erwächst die hemmungslos Leidende zu heldinnenhafter Größe. Und gewinnt am Ende die Liebe ihres Mannes zurück, bis in den gemeinsamen Tod.

„It’s Teatime“ im Aalto

„It’s Teatime“ heißt es am heutigen Freitag, in der Cafeteria im Aalto-Foyer. Ab 16.30 Uhr unterhalten sich Fräulein Vorlaut und Miss Betterknower über die anstehende „Norma“-Premiere. Auf gewohnt humorvolle Art widmen sich Marie-Helen Joël und Christina Clark dem Komponisten Vincenzo Bellini und seiner berühmten Belcanto-Oper.

Tickets für die Premiere von „Norma“ und weitere Vorstellungen (12., 14., 16., 22. und 27. Oktober) unter 8122-200

Eine große Antikensaga mit Herzschmerz und Kriegsgerassel, aber eben auch psychologisches Kammerspiel, dem Kogge und Hoheisel kein politisch-aktualisiertes Konzept bloß überstülpen wollen. „Das ist nicht unsere Herangehensweise“, winkt Hoheisel ab. „ Uns interessiert vielmehr, ein Stück ein von innen heraus zu entdecken. Die Arbeit geht von den Sängern aus.“

Diese werden sich ab Samstag in einer zeitlich nicht näher benannten, von feindlichen römischen Heeren besetzen Gallier-Welt wiederfinden. „Wir spielen eine erdachte, eine imaginäre Norma-Welt“, erklärt Imogen Kogge. „Theater muss dem Publikum auch die Möglichkeit schaffen, sich einmal wegtragen zu lassen und nicht nur nach Aktualität zu suchen.“

Aber wenn Katia Pellegrino die Norma-Hymne „Casta Diva“, diese vergebliche Beschwörung des Friedens in kriegerischen Zeiten, anstimmt, wird das auch diesmal ganz gegenwärtiges Erschauern auslösen und ein zeitloses Versprechen für höchstes Opernglück sein.