Essen. . Viele Fragen bei der Telefon-Aktion unserer Zeitung mit vier Experten vom Geriatrie-Zentrum „Haus Berge“. Plätze für Kurzzeitpflege fehlen.
- Viele Anrufer bei Telefon-Aktion unserer Zeitung und dem Geriatrie-Zentrum „Haus Berge“ zum Thema Demenz
- Neben den Betroffenen rücken die Angehörigen, die die Patienten versorgen, mehr und mehr in den Fokus
- Noch gibt es zu wenig Plätze für die Kurzzeitpflege, die die betreuenden Angehörigen etwas entlasten würde
Die Demenz gehört zu den präsentesten und tückischsten Krankheiten unserer Zeit. Zur Woche der Demenz, die am Sonntag zu Ende ging, beantworteten deshalb vier Essener Demenz-Experten vom Geriatrie-Zentrum „Haus Berge“ des Elisabeth-Krankenhauses telefonisch Fragen unserer Leser. Dabei wurde bei den 80 Anrufen in einer Stunde klar: Neben den Betroffenen rücken auch die Angehörigen, die die Patienten versorgen, in den Mittelpunkt.
Da war der Anrufer aus Steele, dessen 86-jährige Mutter ihren dementen Sohn pflegt. „Sie braucht auch mal Entlastung“, sagte der besorgte Mann, Bruder des Patienten und Sohn der aufopferungsvollen Pflegerin. „Von solchen Fällen hören wir häufig“, bestätigte Thomas Behler, Geschäftsführer der Rudi-Assauer-Initiative, bei dem der Steelenser sein Herz ausschüttete.
Gefahr für familiäre Bindungen
Wenn Demenz-Kranke Zuhause versorgt werden, benötigen ihre Angehörigen Pausen vom anstrengenden Alltag. Solche Pausen bietet die Kurzzeitpflege. Die läuft über Tage oder Wochen und ist damit länger als die in der Tagesklinik im Haus Berge. Und kürzer als das dauerhafte Wohnen im benachbarten Seniorenstift mit Demenzschwerpunkt und 108 Plätzen für Senioren. „Nur gibt es Plätze für Kurzzeitpflege leider noch zu wenig“, musste Marita Neumann, Einrichtungsleiterin des Seniorenstifts Haus Berge, am Telefon erklären. Neben den Plätzen waren auch die Kosten ein Thema. Die hängen von der Pflegestufe des Patienten ab und werden individuell berechnet. Ein Richtwert liegt bei 80 Euro am Tag. Das neue Pflegestärkungsgesetz soll ab 2017 für bessere Bedingungen sorgen.
Eine Anruferin berichtete von Berührungsängsten ihrer dementen Mutter mit dem Bergbeborbecker Demenz-Seniorenstift: „Seien Sie direkt und ehrlich zu ihr. Zeigen Sie Ihrer Mutter bei einem Schnupperbesuch, dass ihr nichts Schlimmes passiert“, warb Marita Neumann um Offenheit. Und um Vertrauen. Denn Demenz gefährdet familiäre Bindungen. Da war die Tochter aus Haarzopf, die anrief, weil sie mit ihrer leicht dementen Mutter im Alltag inzwischen ständig streitet. Sie landete bei Dr. Hartmut Fahnenstich von der Memory-Clinic, der dort seit 25 Jahren Menschen mit Demenz und deren Angehörige begleitet. „Patienten merken oft, wenn sie den Verstand verlieren. Sie bauen dann eine Fassade auf, wollen sich schützen. Das ist keine einfache Situation“, erklärte Fahnenstich.
Bei Prof. Richard Dodel, dem neuen Chefarzt im Geriatrie-Zentrum Haus Berge, landeten Fragen zur Behandlung. Es ging um Medikamente und Dosierungen. Dodel berichtete von einer neuen Studie mit Antikörpern gegen Demenz, „eine Krankheit, über deren Mechanismen wir noch viel zu wenig wissen“. Der Experte weiter: „Die Studie aus der Schweiz hat Wellen geschlagen. Die Gedächtnisleistung konnte in zwölf Monaten erhalten werden.“ Sie weckt damit Hoffnung, die Krankheit irgendwann einmal aufhalten zu können.