Essen. . Eine Rellinghauserin war Alkoholikerin, wurde trocken, erlitt einen Rückfall. Dank einer Therapie und einer neuen Aufgabe im Leben hat sie die Sucht im Griff.
Zwei Mal hatte der Alkohol Erika Schmidt (Name geändert) im Griff. „Ich konnte an nichts anderes denken“, erinnert sich die 69-Jährige. Heute ist die Rellinghauserin trocken und hat, dank einer Therapie und einer neuen Aufgabe im Leben, den Alkohol im Griff. „Ich spüre kein Verlangen mehr. Mir geht es so gut wie nie zuvor in meinem Leben“, sagt sie. Und ihre Stimme wird von einem zufriedenen Wohlgefühl begleitet.
Am Anfang war der Sekt. Erika Schmidt, damals Mitte 40, Mutter von zwei Kindern, fühlte sich müde und antriebslos. Der Hausarzt empfahl den alkoholischen Beschleuniger: „Trinken Sie ein Glas Sekt. Der bringt Sie in Schwung.“ Dem Sekt am Morgen folgte Bier. Kistenweise. Dann Schnaps. Flaschenweise. Die Sucht kam schleichend. Und führte immer häufiger bis zur Bewusstlosigkeit. Die ständige Angst, zu versagen und die Probleme des Alltags nicht mehr lösen zu können. Erika Schmidt gehörte zu den 1,8 Millionen Alkoholabhängigen im Hochkonsumland Deutschland. Sie verlor jeglichen Antrieb, sofern es nicht um den nächsten Schluck aus der Pulle ging. Sie verlor die Lebenslust. „Wenn mir was passiert wäre, wäre mir das egal gewesen“, erinnert sie sich. „Die Flucht aus dem beschwerlichen Alltag. Typisches Sucht-Verhalten“, sagt Prof. Martin Schäfer, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Suchtmedizin der Kliniken Essen-Mitte. Dort, wo mit wachsender Nachfrage Drogen-, Medikamenten- und Alkohol-Abhängige behandelt werden. Dort, wo Erika Schmidt ihre erste Therapie absolvierte. Erfolgreich.
Zehn Jahre lang blieb sie trocken. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes vor zwei Jahren hatte sie, kurz nach der Beerdigung, einen Rückfall und landete nach dem Exzess in der Notaufnahme im Huyssensstift, wo besonders schwere Fälle aufgenommen werden. „Morgens verlassen die Patienten die Klinik nüchtern. Am Nachmittag werden sie wieder zu uns gebracht. Mit 6,5 Promille“, beschreibt Sucht-Experte Prof. Schäfer. Für Erika Schmidt war es der letzte Besuch in der Notaufnahme.
Nach der Diagnose durchlief sie das Therapieangebot der Kliniken Essen-Mitte, besuchte danach immer wieder die Offene Gruppe der Alkohol- und Medikamenten-Abhängigen mit der Leiterin der Psychotherapie der Klinik, Gesa Janssen-Schauer. „Die Gespräche haben unglaublich geholfen. Die Menschen in der Gruppe wissen, wovon der andere redet, verstehen dessen Probleme“, sagt Erika Schmidt, die einen besonderen inneren Antrieb hatte: Einen Traum. Die Rentnerin lächelt verschmitzt, wenn sie erzählt: „Ich habe geträumt, dass ich mich um meine Kinder kümmern muss. Und nicht sterben darf. Daran musste ich in der Therapie immer denken.“
Allen Verführungen widerstanden
Dieser Traum wurde für sie zur Aufgabe, zur Pflicht. Seitdem ist Erika Schmidt abstinent, hat keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken, allen Verführungen widerstanden. Allein und Zuhause war es anfangs schwer. „Dann habe ich mich auf Feiern getraut, bei denen es keine alkoholfreien Getränke gab. Bei Partys wurde ich komisch angeschaut, weil ich Bier ablehnte und nur Wasser getrunken habe“, beschreibt die 69-Jährige den anfangs mühsamen Alltag ohne den bewährt berauschenden Alkohol.
Neue Aufgaben haben ihrem Leben Struktur gegeben. Und Ordnung. Erika Schmidt arbeitet ehrenamtlich für die Caritas. Sie verwaltet ein Haus mit zehn Wohnungen. „Da bekomme ich Anerkennung, werde gebraucht. Das tut gut“, sagt sie. Und da ist die Familie mit ihren Kindern und den Enkeln als Anker. „Sie geben mir Halt, einen Lebensinhalt. Ich fühle mich derzeit wie auf Wolke 7.“
Die Kliniken Essen-Mitte bieten Suchtkranken stationäre und ambulante Versorgung, eine 24-Stunden-Bereitschaft, Therapien, die die Familie einbeziehen und erstellen Studien und Leitlinien zur Sucht.
Eine Therapiegruppe für Menschen mit Abhängigkeitsproblem durch Alkohol oder Medikamente trifft sich mittwochs und freitags im Huyssensstift in Huttrop.
Die Gruppe ist als Brücke zwischen stationärer Entgiftung und möglicher Langzeittherapie gedacht.