Essen.. In Essen dürften in diesem Jahr erstmals wieder über 6000 Kinder geboren werden. Das gab es zuletzt 1993. Vier Krankenhäuser konkurrieren um Mütter.
Nachdem die Geburten in Essen in den letzten Jahren stetig angestiegen sind, kündigt sich auch für 2016 eine Zunahme an. Das zeigen die Halbjahreszahlen, die diese Zeitung an den vier Krankenhäusern mit Geburtsstation abgefragt hat. Die Geburten sind bis zum Juni von 2650 (2015) auf 2870 (2016) gestiegen – und damit über acht Prozent. Ende 2016 dürften in Essen erstmals seit 1993 wieder über 6000 Babys geboren worden sein.
Sommerferien, zu viel Sonne oder zu viel Regen. Das interessiert Babys alles nicht. Sie kommen, wann sie wollen. „Wir haben immer gut zu tun und erfreuen uns an diesem schönen Zuwachs“, sagt Prof. Regine Gätje, Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid. Hier könnte 2016 die Schwelle von 1000 Geburten überschritten werden (2015: 958). Das beschert Prof. Gätje, einzige Frau unter den vier Geburtshilfe-Chefärzten in Essen, viel angenehme Arbeit: Bei ihrer Visite begrüßt sie jedes Krupp-Baby, darunter inzwischen wieder viele Zweit- und Drittkinder, persönlich.
Zahl der Geburtskliniken in NRW sinkt
Essen notierte 2015 eine Zunahme bei den Geburten von acht Prozent, was deutlich über dem NRW-Schnitt von 3,5 Prozent und dem deutschlandweiten Zuwachs von 3,1 lag. Grund dafür, sagen die Geburtsexperten, seien weder Flüchtlingsbabys noch Fortschritte in der Kinderwunschmedizin. „Wir sehen einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Früher wurde von Übervölkerung und Karriere oder Kind gesprochen. Heute sind Kinder und Karriere vereinbar“, beobachtet Dr. Angela Köninger, Leiterin der Geburtshilfe und Perinatalmedizin an der Uniklinik, wo 2015 1550 Babys geboren wurden. Elternzeit, Elterngeld und flexible Arbeitszeit-Modelle unterstützen das Modell Kind und Karriere. „Es wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die jetzt greifen“, ergänzt Prof. Stefan Niesert, Direktor der Frauenklinik im Elisabeth-Krankenhaus. Dort wurden 2015 exakt 2430 Babys geboren. Rekord im Ruhrgebiet und Platz 2 in NRW – hinter dem Elisabeth-Krankenhaus in Mönchengladbach.
Trotz zunehmender Babyzahl sinkt die Zahl der Geburtskliniken in NRW. 160 sind es derzeit. Mit natürlichen Geburten lässt sich wenig Geld verdienen. Die Kliniken müssen eine aufwändige, ständig einsatzbereite Infrastruktur vorhalten, die sich für eine Geburt pro Tag nicht lohnt. Nur viele Geburten sorgen für Erträge. In Essen wurden Geburtsstationen in Borbeck, Steele und zuletzt in Werden geschlossen. Geburten sind im Elisabeth-Krankenhaus, in der Uniklinik, die beide eine Kinderklinik und ein Perinatalzentrum haben, sowie im Alfried-Krupp-Krankenhaus und im Marienhospital möglich. 2015 kamen in der Altenessener Klinik 673 Babys zur Welt.
„Essener Eltern haben Auswahl“
Längst werben Kliniken in Velbert und Oberhausen um Essener Eltern. Auf der anderen Seite kommen schwangere Frauen aus Nachbarstädten zur Geburt nach Essen. „Essener Eltern haben Auswahl. Und wir Konkurrenz“, sagt Krupp-Chefärztin Prof. Regine Gätje. Entsprechend engagiert werben die vier Kliniken um Eltern, wissend, dass es mittelfristig nur noch drei Essener Geburtsstationen geben könnte. Die Eltern haben den Vorteil, sich fast neun Monate auf den Klinik-Besuch vorbereiten zu können. Einmalig in der Medizin.