Essen. . Leser besuchten das Thyssen-Krupp-Quartier mit dem historischen Stammhaus der Familie und den hochmodernen Verwaltungsgebäuden gleich nebenan.

Mitte 2010 war Bernhard Großbröhmer schon einmal zu Besuch im Thyssen-Krupp-Quartier. Damals wurde die Hauptverwaltung an der Altendorfer Straße gerade eröffnet und zog auch den staunenden Blick des Essener Bürgers auf sich. „Aber ich wollte immer nochmal die Innenräume sehen.“

Zwar gibt sich der Konzern offen und jeder kann über den weitläufigen Campus mit seinen mondänen Wasserachsen schlendern – doch ins Innere darf natürlich nicht jeder so einfach reinspazieren. Das hat auch Bernhard Großbröhmer erfahren müssen, als er sich einmal im Pulk um den damaligen Vorstandschef Ekkehard Schulz mit hineinmogeln wollte. „Ich hatte meine Spiegelreflexkamera umhängen und sah wie ein Pressefotograf aus. Aber weit bin ich nicht gekommen, dann haben mich die Sicherheitsleute abgefangen“, erzählt er mit einem Lächeln.

Für Bernhard Großbröhmer gab es nun aber die ganz offizielle Gelegenheit, sich mit weiteren Lesern dieser Zeitung das preisgekrönte Quartier von innen anzusehen, aber auch von außen mit einem neuen Blickwinkel zu entdecken.

Christoph Wilmer ist Historiker und führt an diesem Tag die Gäste über das Gelände. Angefangen vom Stammhaus der Familie Krupp, das heute idyllisch in einem kleinen parkähnlichen Gelände neben dem Hauptquartier liegt. Das alte Fachwerkhaus, das Firmengründer Friedrich Krupp 1824 selbst bezog und das in den 1960er Jahren originalgetreu wieder errichtet wurde, gilt bis heute als Symbol für die schweren Anfänge. Immerhin hätte die Herstellung englischen Gussstahls Friedrich Krupp zu Beginn fast in den Bankrott geführt.

Auch momentan sind die Zeiten bei Thyssen-Krupp nicht rosig, die Stahlkrise setzt dem Konzern zu. Zuvor rüttelten Kartell- und Korruptionsaffären das Unternehmen durch. Fehlinvestitionen in Brasilien trafen hart. Man kann also darüber spekulieren, ob das Unternehmen sich heute noch einmal einen solchen Monumentalbau gönnen würde, der heute das Westviertel schmückt und auch unsere Leser beeindruckt. „Absolut faszinierend“, sagt Maria Radanov, als sie in der riesigen Eingangshalle des 50 Meter hohen Hauptgebäudes steht und die den Blick in den Himmel freigibt.

Zwei Aufzüge aus Milchglas sausen geräuschlos an den Wänden auf und ab. Sie sind ein Beispiel dafür, wenn Christoph Wilmer davon spricht, dass der Konzern sich hier nicht nur eine moderne Hauptverwaltung für 3000 Mitarbeiter hingesetzt hat, sondern natürlich allen Besuchern auch seine eigene Technik- und Technologiekompetenz vorführen will.

Das gilt auch für das 26 mal 28 Meter große „Glasauge“ des Hauptgebäudes, dessen einzelne Scheiben (jede 450 Kilo schwer) nicht durch Rahmen gehalten werden sondern an langen Stahlseilen aufgehängt sind.

Und während Christoph Wilmer die Meisterleistung der deutschen Ingenieurskunst preist, kommt bei Maria Radanov dann doch der pragmatische Hausfrauenblick durch: „Wer putzt eigentlich die vielen Scheiben?“