Essen. . Im städtischen Nahverkehr verfügt die Essener Verkehrsgesellschaft Evag über die meisten Relais-Anlagen unterm Hauptbahnhof. .

Hauptbahnhof Essen, unweit vom Gleis 3 des U-Bahnhofes schlägt das Herz der Evag. Von außen nicht zu hören, nicht zu sehen – versteckt hinter einer kleinen, verschlossenen, graffitiverschmierten Stahltür auf dem Gang zum U-Bahnhof-Ausgang. Doch drinnen bestimmt der Takt den unterirdischen Straßenbahn- und Stadtbahnverkehr der Evag. Klack, klack, klack – hört man es zigtausende Mal am Tag. Das sind die Relais-Schaltungen, die die Weichen und Signale im innerstädtischen Tunnelnetz der Evag stellen. Unter dem Hauptbahnhof befindet sich das bundesweit größte Relais-Stellwerk für Tram und U-Bahn. Mit einer Technik, die schon seit etwa 50 Jahren eingesetzt wird, die laut Evag-Techniker aber in puncto Verkehrssicherheit noch heute absolut zuverlässig ist.

Die Tage, in denen im Stellwerk zwei Mitarbeiter den Verkehr steuerten, Signale und Weichen auf Knopfdruck stellten, sind lange vorbei. Seit Ende der achtziger Jahre ist das Stellwerk über die Leitstelle fernsteuerbar. Und die Zugsicherung in der Tunnelröhre läuft automatisch, weil Sender unter jeder Bahn Linie, Zugnummer und Ziel an ein Lesegerät funken, das die Infos an einen Rechner weiterleitet. In den Fluren des Stellwerks bleibt heute die Beleuchtung die meiste Zeit ausgeschaltet.

Technik wird nicht mehr von der Industrie unterstützt

Ulrich Aschmann, stellvertretender Leiter der Signaltechnik, macht die Deckenlampen für 16 unserer Leser wieder an, führt sie über eine Stahltreppe in den Relaisraum des Stellwerkes. „Berühren Sie nichts!“, mahnt er mehrmals. „Wir sind hier im laufenden Betrieb.“ Hält sich dort ein Mitarbeiter auf, dann um etwas zu kontrollieren, zu warten oder zu beobachten. Ansonsten läuft das Stellwerk mit seinen Zehntausenden elektromagnetisch gesteuerten Relaisschaltern wie von selbst. „Es ist zwar veraltet, es klappert, aber es funktioniert“, betont Aschmann – und zwar genauso gut wie eine moderne digitale Anlage, ergänzt er. Wenn es zu einem Defekt kommt, können möglicherweise die Bahnen nicht weiterfahren. „Aber die Sicherheit wird nie gefährdet“, so formuliert Aschmann den Anspruch an die Anlage. Und deshalb kontrolliert ein Relais das andere und schaltet bei einem Ausfall sofort auf Alarmmodus – so vor wenigen Wochen, als ein einziges defektes Relais für fast eine Stunde den unterirdischen Verkehr lahmlegte. Denn dieses kleine Bauteil steuerte eine Weiche, über die die Bahnen von sieben Linien fuhren.

Voraussichtlich 2025 hat das Stellwerk am Hauptbahnhof trotz der zahlreichen Ersatzteile, die gehortet wurden, endgültig ausgedient. Aschmann: „Das Problem ist, dass diese Technik von der Industrie nicht mehr unterstützt wird.“

Zurück in die Vergangenheit. Signaltechnik-Chef Andreas Knebel hat im Stellwerkdienstraum zur Präsentation die alten Schwarz-Weiß-Monitore eingeschaltet, die jede einfahrende Tram oder U-Bahn am Haltepunkt Hauptbahnhof zeigen. Am großen Stelltisch herrschte früher rege Betriebsamkeit, waren die Stellwerker von früh bis spät im Einsatz. Heute ist der Raum verwaist. Nur die roten und weißen Lichtbalken leuchten weiterhin, die auf einen gerade besetzten oder freien Gleisabschnitt hinweisen. So wie vor rund 40 Jahren. Die Evag hält an ihrer Reserve eisern fest. Für den Notfall. Diese Schaltzentrale kann bei einer Störung jederzeit wieder besetzt und aktiviert werden.

„Das ist schon sehr komplex hier alles“, sagt Leser Björn Stappert. Er fährt regelmäßig Bahn. „Ich wollte einfach wissen, wie es hier unten aussieht.“ Auch Heinz Richmann zeigt sich tief beeindruckt und kehrt mit einem guten Gefühl nach Hause. „Ich fühle mich sicher, wenn ich mit der U-Bahn fahre.“

Zahlen und Fakten:

Fast 5,5 Millionen Euro investierte die Evag vor Jahren nochmal in ihre Stellwerke.

Die Umstellung der Stellwerke auf digital wird zwischen 30 und 40 Mio Euro kosten.

Im Stellwerk Hauptbahnhof werden täglich 9000 mal Weichen gestellt und 23 000 mal Signale auf Grün gesetzt.