Essen.. Das Kinder-Palliativ-Netzwerk wird zehn Jahre alt und feiert das mit einem Mitmach-Zirkus. Auch schwerkranke Kinder treten dann als Artisten auf.
Sie haben täglich mit Krankheit, und Sterben zu tun – jetzt feiern sie das Leben: Das Kinder-Palliativ-Netzwerk wird seinen zehnten Geburtstag nicht mit einem trockenen Empfang begehen, sondern mit einer bunten Zirkusvorstellung. In der Manege stehen dann Eltern, Ehrenamtliche und vor allem die Kinder; die jungen Patienten sowie ihre gesunden Geschwister. Am 14. Juli werden sie Clowns, Artisten, Fakire oder Feuerschlucker sein.
„Wir sind immer mit diesem schweren Thema unterwegs, wir wollten auch mal etwas Fröhliches, etwas Leichtes machen“, sagt Sozialpädagogin Maria Bünk, die das Kinder-Palliativ-Netzwerk (KPN) koordiniert. Bei einigen Familien sei sie mit der Idee erst auf Skepsis gestoßen: „Ein Zirkus? Aber doch nicht für uns, das passt doch nicht.“ Das Team vom Netzwerk müsse doch wissen, wie es den Familien gehe, dass sie zwischen Sorge und Erschöpfung pendeln.
Eltern werden entlastet
Natürlich wissen sie das: Seit zehn Jahren kümmern sie sich um Familien, deren Kinder lebensverkürzend erkrankt sind. Den etwas sperrigen Begriff haben sie mit Bedacht gewählt: Die Kinder leiden unter schweren Krankheiten oder Behinderungen, an denen sie sterben werden; doch mitunter haben sie noch viele Lebensjahre. Und manchmal nur einige Wochen. In dieser Zeit ist das Kinder-Palliativ-Netzwerk bei ihnen, kümmert sich um das kranke Kind, entlastet die Eltern, schaut, dass die Geschwister nicht auf der Strecke bleiben.
Aber dabei gehe es ja eben auch um Lebensqualität, sagt Inge Pleiss, Kinderkrankenschwester, Sozialpädagogin und in vielfacher Funktion im KPN tätig. „Also haben wir den skeptischen Eltern erzählt, dass wir alle Facetten des Lebens zeigen wollen, dass sich auch für die kranken Kinder eine Rolle im Zirkus findet – da kam plötzlich ein Strahlen.“ Und die Bereitschaft, dabei zu sein, aktiv oder im Publikum. Die 350 Karten – gestaltet von Geschwisterkindern – haben sich reißend verkauft. „Manche Familien haben 20 Karten für Gäste bestellt, Kinder bringen ihre Schulfreunde mit“, sagt Maria Bünk.
Ehrgeiziges Programm
Die gut 50 Stars in der Manege haben ein ehrgeiziges Programm vor sich: Am 10. Juli, treffen sie sich erstmals im Zirkuszelt und entscheiden sich, mit welcher Nummer sie auftreten wollen – am 14. Juli, wird die Show gezeigt. Dazwischen liegen nur zwei Tage zum Einstudieren und die Generalprobe am Mittwoch. Aber Maria Bünk ist selbst schon mal erlebt, wie das Trainer- Team zügig aus Laien Seiltänzer und Jongleure machte. Den kranken oder gehandicapten Kindern helfe man wenn nötig mit einer Extra-Unterstützung.
Aufgeschlagen wird das Zelt auf dem Gelände des Kinderheims der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung in Steele. Die Kinder, die in dem Heim leben, sind zur Generalprobe eingeladen. Am Donnerstag sind dann nicht nur die Familien zu Gast, die aktuell vom Netzwerk betreut werden, sondern auch jene aus den vergangenen zehn Jahren. Es sind über 200, und viele haben von ihrem Kind schon Abschied nehmen müssen. Auch an diese 154 Kinder, die gestorben sind, soll am Festtag erinnert werden: in der Manege mit 154 Sonnenblumen, auf dem Festplatz mit Blumenbildern, die die Namen tragen.
Nicht jeder, der das eigene Kind verloren hat, wird sich in die Vorführung trauen, manche kommen lieber erst zum späteren Zusammensein. Wie unterschiedlich die Familien mit ihrem Schmerz umgehen, erlebt Inge Pleiss oft in der Trauerbegleitung. Maria Bünk aber hofft, dass diejenigen, die im Publikum sitzen, die Krankheit der jungen Artisten für den Moment vergessen können und nur sehen: „Was haben die für einen Spaß.“
Ein Versorgungs-Netzwerk für schwerkranke Kinder
Das Kinder-Palliativ-Netzwerk (KPN) wurde 2006 gegründet. Zum Netzwerk gehören Versorgungskoordination, psychosoziale Beratung, ambulanter Kinderhospizdienst, Trauerbegleitung. Träger des KPN ist der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Seit 2012 gehört das Kinder-Palliativ-Team zum Netzwerk: Es versorgt jährlich mehr als 50 Kinder zu Hause; mit hohem medizinisch-pflegerischen Aufwand und auch in der letzten Lebensphase. Im Kinder-Palliativ-Team sind drei Ärzte des Uniklinikums.
Jährlich nehmen durchschnittlich 105 Familien die Angebote des KPN wahr; sie stammen aus Essen und dem Umkreis bis Dortmund und Wesel. Im zehnköpfigen Team arbeiten Sozialarbeiter und Pflegekräfte. Ca. 55 Ehrenamtliche begleiten die Familien. Das KPN hat einen Förderverein.